In Schulklassen sollte sich eigentlich jeder wohlfühlen. Eigentlich. Nur sieht das in der Realität häufig leider anders aus. Manche fühlen sich von den anderen ausgeschlossen und haben nicht das Gefühl, irgendwo dazu zu gehören. Ihr (Schul)Alltag kann durch ständige Angst vor Kontakten mit anderen Schülerinnen und Schülern gekennzeichnet sein, sodass das Besuchen der Schule gar keinen Spaß macht. Unsere Sozialpädagogin Frau Beck möchte dem entgegenwirken. Wir von UMLAUF waren neugierig auf sie und ihre Arbeit, sodass wir ihr einen Besuch in ihrem Büro abstatteten.
UMLAUF: Hallo, Frau Beck. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Können Sie uns zuerst beschreiben, wie genau Ihre Aufgaben aussehen?:
Frau Beck: Meine Aufgaben sind ganz vielseitig. Die Hauptaufgabe besteht aber natürlich darin, für die Schülerinnen und Schüler da zu sein, als Ansprechpartnerin für sie ein offenes Ohr zu haben. Es geht erstmal darum, Termine, Beratung und Unterstützung anzubieten. Das heißt, die Kinder kommen in der Regel eigenständig und haben unterschiedliche Themen. Manche kommen sie z.B. und wollen wissen, wie sie mit ihrer Freundin einen Streit lösen oder wie sie bei ihrer Mama ein bestimmtes Thema ansprechen können. Dann üben wir das hier in meinem Büro oder sammeln Ideen. Manche kommen gleich in Gruppen und wollen eine richtige Streitschlichtung, die es in sich hat, die dann auch manchmal länger dauert als zwei bis drei Termine. Es gibt Kinder, die kommen öfters. Da geht es dann hauptsächlich um Beratung, um Unterstützung; wir gucken dann, welche Ressourcen sie haben, wie man sie besser unterstützen und fördern kann. Manchmal muss man sich auch Eltern dazu holen. Und ganz viel findet natürlich auch mit Lehrerinnen und Lehrern statt. Sie wünschen ebenfalls Unterstützung, hätten gerne Ideen, und dann gucke ich mir auch eine Klasse an und wie das Gefüge dort ist, damit ich die Lehrkraft beraten kann, wie sie umgehen kann mit besonderen Kindern. Das ist auch eine meiner Aufgaben und die finde ich wichtig. Ich kann auch direkt mit in den Unterricht gehen und da zusammen mit dem Lehrer/ der Lehrerin etwas gestalten oder auch Klassentrainings durchführen.
Oh, was habe noch vergessen? Ja, Elternarbeit – Eltern dürfen sich auch an mich wenden. Es gibt auch manchmal Gespräche nur mit ihnen, ohne die Kinder. Manche finden z.B., dass ihr Kind schulisch nicht mitkommt, und sie fragen mich nach Ideen oder ob ich unterstützende Kontakte kenne. Bei der Arbeit mit Eltern geht es sehr oft um solche Kontakte, die ich innerschulisch vermitteln kann (z.B. die Hausaufgabenhilfe), aber auch über außerschulische Stützen kann ich informieren. Es geht auch manchmal um mögliche Therapieformen und auch das Jugendamt als möglicher Kooperationspartner spielt in meiner Arbeit eine Rolle. Ich nutze es, um mich in kritischen Fällen zu beraten und auch Familien nach Absprache weiterzuleiten. Wenn es gewisse Probleme gibt, dann müssen andere Institutionen eingeschaltet werden, so z.B. die Schulpsychologie oder das BFZ.
Ich arbeite natürlich auch mit dem Schulleiter zusammen und hier vor Ort mit der Standortleitung. Dann gibt es noch ganz viele kleinere Aufgaben, aber die würden jetzt den Rahmen sprengen. Aber die groben sind die Arbeit und Unterstützung von Schülern, Lehrern und Eltern.
UMLAUF: Inwieweit helfen Sie den Lehrerinnen und Lehrern?
Frau Beck: Eigentlich ähnlich. Die kommen auch mit Fragen zu auffälligen Kindern oder Problemen im Klassensetting, bei denen sie sich fragen, wie sie da direkter unterstützen können. Ich unterstütze aktuell verschiedene Klassen. Aber bei einer ganz speziell, wo die Klassengemeinschaft verloren gegangen ist, wo es viel Streit gibt. Und es ist meine Aufgabe, dabei zu helfen, diese wiederherzustellen.
Das ist wirklich alles sehr individuell und Lehrer fragen unterschiedlichste Sachen an. Zusätzlich bin ich manchmal auch bei einem Elterngespräch dabei, was vielleicht etwas kritisch wird, etwas ruckelig, und dann kann ich auch da etwas unterstützen, etwas vermitteln. Das mache ich mit Kindern und Eltern so, das mache ich aber auch mit Lehrern und Eltern.
UMLAUF: Kommen Schüler freiwillig?
Frau Beck: Ja, das ist für mich eines der wichtigsten Prinzipien. Ich sage das auch immer den Kindern und es steht auf den Aushängen. Also, in der Regel, so ist es momentan, kommen die Kinder und fordern Termine an. Entweder persönlich bei mir oder sie nutzen diesen Briefkasten, den ich an der Tür habe. Da sind vorgefertigte Zettel drin, diese müssen sie nur schnell ausfüllen. Und dann weiß ich, sie haben Gesprächsbedarf, dann bekommen sie einen Termin von mir, der zum Stundenplan passt, mit einem Rücklaufzettel.
Manchmal entwickelt sich dann, dass auch andere Kinder eingeladen werden müssen, um einen Konfklikt zu lösen. In der Regel kommen sie dann auch mit. Wenn das aber nicht der Fall ist, aber man sie für die Problemlösung braucht, dann spreche mit den Kindern. Bisher hat sich noch keiner verweigert. Ich würde das aber letztendlich akzeptieren und nach anderen Lösungen suchen. Und dann arbeite ich mit dem Kind weiter und gucke, wie er sich bei einem Konflikt verhalten könnte.
Insgesamt finde ich es sehr wichtig, dass sie freiwillig kommen und ich nicht so ein Strafraum bin, wo Kinder ihre Zeit absitzen müssen, die sich nicht an Regeln gehalten haben.
UMLAUF: Nehmen wir aber an, zwei Kinder prügeln sich auf dem Schulhof, wo werden sie dann hingeschickt?
Frau Beck: Im Moment läuft das so ab: Wenn so ein großer Konflikt entstanden ist, bei dem auch die Pausenaufsicht ratlos ist, dann müssen die entsprechenden Schülerinnen und Schüler zur Standortleitung, Frau Jochheim, um dort den Streit aufzuarbeiten. Sie führen da dann ein Gespräch. Mich, das sage ich auch den Lehrern, kann man aber auch zusätzlich anbieten. Wenn die Kinder, die sich gerade auf dem Schulhof geprügelt haben und jetzt wieder in den Unterricht müssen und vermutlich den ganzen Unterricht stören würden mit ihrem Streit, dann, finde ich, dürfen die Lehrerinnen und Lehrer auch anbieten, das bei mir zu klären.
UMLAUF: Muss man für Ihren Beruf studiert haben?
Frau Beck: Ja. Ich habe hier in Kassel studiert, Psychologie und Erziehungswissenschaft. Und bin dann gleich in die Praxis übergegangen, weil ich das spannender für mich fand. Ich habe verschiedene Sachen gemacht, z.B. mit Kindern in einem Tagesheim gearbeitet, die nach der Schule dahingegangen sind und ihren restlichen Tag dort verbracht haben, weil sie zuhause nicht so gut versorgt werden konnten.
Ich war auch schon mal in der Grundschule als Schulsozialarbeiterin tätig, und vor diesem Job kam ich aus der Familienhilfe. Das ist eine etwas eine andere Arbeit als jetzt hier in der Schule, aber der Personenkreis ist ähnlich, nur etwas verlagerter. Ich war aber auch noch tätig beim Bfz. Das ist ein Beratungs- und Förderungszentrum und es geht diirekt um die Hilfe ganz individuell für das Kind. Das habe ich gleichzeitig mit der Familienhilfe gemacht. Aus Diesen Bereichen komme ich und alle haben mir Spaß gemacht.
UMLAUF: Warum Sozialpädagogik?
Frau Beck: Ich habe schon immer gerne was mit und für Menschen gemacht. Und das Studium bot sich dann mal an. Dachte, ich könnte ja mal schauen, ob das was für mich ist und ich finde es spannend. Also ich finde es spannend, zu begleiten. Gerade Menschen, die im Moment selber keine Möglichkeiten haben, weil sie belastet sind, weil sie keine Ideen haben, weil sie vielleicht in eine Situation kommen, die sie runterdrückt. Und wenn man dann die Möglichkeit hat, zu helfen, weil man gerade die Kraft und die Ideen hat, dann finde das total gut. Finde das einen guten Menschenzug, wenn man sag, ich helfe, weil ich kann. Das mache ich gerne.
Ich finde das eine total spannende Arbeit, weil jeder Tag ist anders. Man muss flexibel sein. Das macht alles sehr spannend und lebendig. Und man kriegt ein gutes Feedback. Man kriegt manchmal ein schlechtes Feedback natürlich, gerade wenn man helfen will oder soll, aber die noch nicht bereit sind. Aber wenn sie freiwillig kommen, dann weiß man, ich kann jetzt hier helfen und im besten Fall geht’s dieser Person dann besser. Und das ist ein total schönes Gefühl. Sowas ist sehr lebenswert.
-Warum diese Schule? Haben Sie sie selbst ausgewählt?
Ja, ich hab sie selbst ausgewählt. Ich fand Gymnasium spannend. Ich war ja vorher an Grundschulen. Und ich dachte, okay, das habe ich jetzt gesehen. Jetzt will ich mal in eine weiterführende Schule. Dann war diese Stelle frei. Und ich kenne diese Schule ein bisschen, weil ich hier ein paar Lehrer kenne. Ich find’s auch spannend, dass ist ja schon das Alleinstellungsmerkmal der Schule, diese Vielseitigkeit in Sprache und Herkunftsländer. Was für andere irgendwie zurückschreckend wirken kann, ist für mich total spannend. Also diese Lebendigkeit und diese Unterschiede und doch aber Gemeinsamkeiten, finde ich super. Man kann ganz vieles kennenlernen, was man noch gar nicht kennt. Das ist auch hier so. Zumindest nach meinen ersten Erfahrungen an dieser Schule. Auch wenn dies manchmal Konflikte birgt. Klar, wenn verschiedene Kulturen aufeinanderstoßen und noch gewisse Vorurteile herrschen und Berührungsängste da sind. Man muss sie dann halt zusammenführen.
UMLAUF: Wurden Sie gut in die Schule aufgenommen?
Frau Beck: Ich hatte einen ganz glücklichen Start, dadurch dass mein erster Arbeitstag der pädagogische Tag hier war, wo alle Schüler frei hatten. Das war sofern positiv, weil ich dadurch die Möglichkeit hatte, die Lehrer kennenzulernen, ich mich vorstellen konnte und die Lehrer wussten „Ah, die ist neu. Das und das macht sie.“.
Ansonsten ist es schon normal geworden, dass ich hier bin. Egal von Schüler oder Lehrer, ich wurde ganz gut aufgenommen. Die Kinder kommen ganz viel, nutzen mich ganz viel, und die Lehrer auch.
UMLAUF: Ein Schüler oder eine Schülerin kommt in Ihr Büro kommt und sagt: „Ich habe ein Problem!“ Haben Sie da eine spezielle Vorgehensweise?
Frau Beck: Es ist immer anders. Erstmal schaue ich, wer kommt rein. Wenn ich merke, es ist ein schüchternes Kind oder ein Kind, das total wütend ist oder gleich weint, dann habe ich einen anderen Ablauf, ein anderes Tempo, eine andere Vorgehensweise. Deshalb: Mit jedem Klopfen an der Tür muss man sich immer neu einstellen. Das geht ganz schnell im Kopf. Das ist aber eine Erfahrungssache. Ich habe jetzt keine Abfolge von Ideen, die ich dann durchrattere.
Was aber immer gleich ist, ist, dass ich erkläre, wie das hier abläuft: Ich schreibe mit, es gibt eine Schweigepflicht, wir besprechen danach, wem ich das weitersagen kann, wen wir noch brauchen etc. Das sind die Prinzipien. Häufig entsteht etwas ganz Unterschiedliches. Mit den einen Kindern übe ich etwas mit Rollenspielen ein, mit anderen bespreche ich etwas. Manche gehen mit einem Auftrag raus, den sie dann erfüllen sollen. Dann machen wir einen Termin in einer Woche später und gucken, ob es geklappt hat. Aber dadurch, dass jeder mit seinen individuellen Themen kommt, verläuft jeder Termin anders. Manchmal ist schnell geholfen, manchmal brauchen Kinder viel Begleitung und noch ein paar helfende Hände mehr. Toll finde ich immer, wenn ein ganzes helfendes Netz um das Kind gesponnen wird, daher begrüße ich auch immer die Mithilfe von Lehrkräften, Eltern oder anderen Menschen. Zusammen kann man immer viel mehr erreichen als alleine. Im Übrigen auch ein hilfreiches Lebensmotto.
UMLAUF: Was würden Sie tun, wenn ein Schüler oder eine Schülerin respektlos wird oder schreit?
Frau Beck: Kommt, ehrlich gesagt, nicht so oft vor, wobei ich es auch nicht schlimm finde. Wir besprechen ja hier Probleme und diese sind immer mit Emotionen verbunden, meistens mit schlechten, sonst würden die Kinder ja nicht herkommen. Und man kann auch diese schlechten Gefühle rauslassen, das ist ganz okay. Ich bin nicht so ängstlich. Wenn jemand lauter wird und auch Worte fallen, die nicht so gut passen, dann kann ich das ganz professionell sehen, weil ich weiß, die Worte sind nicht für mich, sondern die sind der Situation geschuldet oder der Geschichte, mit der die Person hier ankommt. Wenn es zu krass ist und ich merke, da ist jemand so aufgebracht, der kann es gar nicht kontrollieren, dann darf er auch rausgehen. Es steht also jedem frei, „Ich will nicht mehr!“ zu sagen. Das Gespräch ist dann erstmal beendet, aber ich suche später dann nochmal den Kontakt, um zu wissen, was daraus entstanden ist und ob wir noch einen zweiten Versuch bräuchten.
Ich finde, wie schon gesagt, solche Emotionen gehören dazu. Wenn man sich wieder im Griff hat, ist alles gut. Wenn nicht, dann bekommt man eine zweite Chance. Natürlich gibt es hier Gesprächsregeln. Daran erinnere ich auch immer, gerade wenn solche Konfliktgespräche stattfinden, in denen auch mal Beleidigungen fallen. Das kriegen wir auch mit Worten am Ende hin. Die Kinder haben sich dann richtig gut im Griff. Und wenn dies nicht der Fall ist, dann finden wir, wie gesagt, eine Lösung.
UMLAUF: Vielen Dank für das nette Gespräch!
Besteht bei dir nun Interesse, Frau Beck für ein Gespräch aufzusuchen, so findest du sie jeden Tag in ihrem Büro im Wimmelgebäude (Raum W 201). Sie hat offene Sprechzeiten, in denen das Büro ganz sicher besetzt ist: Dienstag, 5. Stunde (Ysenburgstraße) und Mittwoch, 5.Stunde (Wimmelgebäude). Wenn dir die Zeiten nicht passen, weil du z.B. zu dieser Zeit Unterricht hast, dann kannst du bei Frau Beck per E-Mail nach einem Termin fragen: svenja.beck.goethe@gmail.com. Ansonsten kannst du auch persönlich in Ihrem Büro oder über den Briefkasten vor ihrem Büro Termine vereinbaren. Wählst du den Weg mit dem Briefkasten, musst du nur den dort hängenden Zettel ausfüllen und einwerfen. Der Briefkasten wird jeden Tag von Frau Beck geleert. Sie schreibt dir dann eine Einladung.