Schon nah dran am großen Kino

Von unserem Gast-Redakteur Herrn Saerbeck

Im Februar verwandelten Herrn Lücks DS-Kurse aus der Q4 die Aula des Goethe-Gymnasiums wieder einmal in eine Theater-Bühne der besonderen Art. Mit zwei interessanten Auftritten zeigten die Schauspieler ihr Talent und fesselten das Publikum an die Sitze. Deutsch- und PoWi-Lehrer Herr Saerbeck nahm die unterschiedlichen Präsentationen zum Anlass, eine Kritik zu verfassen, und fand viel Lob und Gelungenes, aber auch ein paar Vorschläge für die nächste Generation von Schauspielern. 

Einen abwechslungsreichen DS-Abend bescherten die zwei Kurse
Voll fokussiert
 
Februar 2013: Theaterzeit am Goethe-Gymnasium. Zwei inhaltlich und formal unterschiedliche Stücke, die beide auf ihre Art und Weise funktionieren. Zum Teil sieht das Publikum postdramatische, assoziative Bilder, zum Teil werden die Zuschauer auf eine (Traum-)Reise quer durch die Literaturgeschichte mitgenommen. Das an diesem Abend zuerst gezeigte Stück „Schwarzlichtmilieu“ wirft in der anschließenden Diskussion die Fragen auf: Was nehme ich vom Gesehenen mit? Bleiben die einzelnen Szenen diffus oder lässt sich ein Zusammenhang, ein eindeutiges Motiv erkennen? Die schauspielerischen Leistungen sind zum Teil sehr ordentlich, sodass auf dieser Ebene mit Nachdruck zum Reflektieren angeregt wird. Im Verlauf des Stückes kann die Doppelung der Stilmittel als irritierend wahrgenommen werden; am Ende jedoch fügen sich die Wiederholungen zu einem harmonischen Ganzen. Das geschickt mit Sound unterlegte Motiv des Hubschraubers kann unterschiedlich interpretiert werden: Bilder von Gefahr, von Krieg und Angriff erfassen den Zuschauer. 
Konzentrierte Vorbereitungen: Herr Lück und die Kursteilnehmer...
Letzte Lagebesprechung vor dem Auftritt
Die einzelnen Personen auf der Bühne wirken Ich-bezogen und ermöglichen es so, als Kollektiv der zunehmenden Gleichschaltung zu unterliegen. Eine gemeinsame Befreiung, ein Ausbrechen aus alltäglichen Gewohnheiten, erscheint unmöglich und lediglich eine Person schafft es immer wieder, die Bedrohung abzuwehren und die fremden Geräusche wuchtig in die Ferne zurückzuschleudern. Am Ende wird eine gemeinsame Formel gefunden, die den Hubschrauber zum Absturz bringt.
Hervorzuheben ist die wunderbar unangenehme Atmosphäre, die das Stück durchzieht. Die Gewichtung von Gleichheit und Individualität der einzelnen Figuren ist in diesem Zusammenhang äußerst gut gelungen.  Vom Gesehenen nimmt man ganz unterschiedliche Gedanken über Bedrohung und entsprechende Reaktionen mit, und die postdramatischen, assoziativen Bilder wirken nach.
Das zweite Stück des Abends kommt zu Beginn sehr viel leichter und beschwingter daher. Es wirkt zunächst wie klassisches Schultheater – eine Gruppe links, eine Gruppe rechts und dazwischen eine Art Erzählerin, die als Bindeglied fungiert. Fröhlich geht es zu, fast zotig, und das ein oder andere Schmunzeln huscht dem Zuschauer übers Gesicht. Die Anleihen bei bekannten Comedy-Formaten tragen dazu bei, könnten aber insgesamt behutsamer eingesetzt werden. Angenehm erweist sich der Einsatz von humoristischen Elementen eindeutig in der Julia-und-Romeo-Szene. Montague vs. Capulet 2.0: Hier funktioniert das Spiel mit Sprache einwandfrei!
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Und absolute Körperspannung auf der Bühne
Die gesanglichen Einlagen zeigen noch weitere Facetten der Schauspieler. Die qualitativen Unterschiede der Sängerinnen und Sänger werden geschickt durch unterschiedliche Techniken kaschiert, sodass alle Solo-Parts überzeugen können. Die wohlige Atmosphäre wird gegen Ende des ersten Teils dann durch eine Neueinkleidungsszene abgerundet – ein großer Spaß und zusätzlich ein passender Übergang. Mit dem dauerhaften Verlassen der Bühne und der Performance im Zuschauerraum verändert sich dann die Stimmung und das Stück gewinnt deutlich an Qualität.
Die Geschichte der Medea, die drei Hexen aus der berühmten Anfangsszene von Macbeth, das Gespenst von Canterville und die Geschichte des Erblickens des eigenen Grabes mit Anleihen bei Kafka kommen durchweg anspruchsvoll daher und haben einen hohen Unterhaltungswert. Die Schauspieler können hier in ihren Rollen überzeugen und nehmen den Zuschauer mit auf eine literarische Albtraumreise. Auch für Zuschauer, denen der literarische Bezug fehlt, bleibt eine klare Linie. 
Trotz minimaler Abstriche war der Abend ausgesprochen unterhaltsam und hat gezeigt, dass einiges an schauspielerischer Qualität am Goethe-Gymnasium vorhanden ist. Beide Stücke haben eindeutige Stärken, es bleiben allerdings auch bei beiden noch kleinere Optimierungsmöglichkeiten. Insgesamt aber schon nah dran am großen Kino…