Theaterpädagogik in der Aula

Von unserer Gast-Redakteurin Iman Cherfaoui

„Ehrwürd’ger Herr, Johanna nennt man mich.“ Anfang des Jahres bekam unser DS-Kurs der Q2 unter der Leitung von Frau Binnenmarsch Besuch: Der Theaterpädagoge Marco Faller bereitete gemeinsam mit uns den Aufführungsbesuch des Dramas „Die Jungfrau von Orleans“ im Staatstheater Kassel vor. Zusammen arbeiteten wir mehrere Stunden in einem Workshop zu dem Drama Friedrich Schillers. Standbilder, Sprechübungen, Brüllen, Diskussionen auf der Bühne – all das stimmte die Teilnehmer sehr gut und intensiv auf die Inszenierung ein.

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Die Teilnehmer hatten viel Spaß

Das Drama spielt im Jahr 1430, als England kurz davor ist, Frankreich zu erobern. Johanna, ein einfaches Bauernmädchen aus einem Dorf namens Dom Remi, hat Visionen von der Jungfrau Maria. Sie sieht sich als Auserwählte an, Frankreich zum Sieg zu führen, und zieht mit in die Schlacht. Die Bedingung dafür ist, dass sie keine Liebe verspüren und niemals die Ehe vollziehen darf. Gefangen durch ihre Visionen, erklärt sich Johanna dazu bereit. Doch sie bemerkt, dass ihr Herz nicht immun gegen den Engländer Lionel zu sein scheint, und ihr Schicksal nimmt eine tragische Wendung.

Zu Beginn des Workshops sollten die Schüler, die das Drama bereits gelesen hatten, in fünf Minuten erzählen, worin es darum geht, um den Mitschülern einen ersten Überblick zu verschaffen. Danach sollte die Geschichte in immer kürzerer Zeit nacherzählt werden, um nur noch das Wesentliche zu erwähnen. „Dadurch bekamen wir eine gute Übersicht über das Stück“, erzählt Leonie. Wir machten eine leichte Aufwärmübung, um Energie für die folgenden Aufgaben zu sammeln. Bei dieser Übung sollten wir uns gegenseitig Bälle und Begriffe zu werfen. In einer anderen Variation der Übung sollten wir uns mit Schimpfwörtern anbrüllen, jedoch im Auge behalten, dass diese auch wirklich nur zur Energiefreisetzung waren.
Nach der Aufwärmübung wurden wir in zwei Gruppen geteilt. Die eine sollte zu Johannas Tun stehen, die von Stimmen getrieben in den Krieg zieht, Menschen tötet und ihnen Leid zufügt. Die andere Gruppe beschäftigte sich mit der Gegenseite und machte sich auf die Suche nach Argumenten gegen Johannas Handeln. Beide Gruppen stellten sich anschließend auf die Bühne, jetzt in der Rolle von „verfeindeten Gangs auf der Straße“. Nun trat immer wieder eine Person einer Gruppe in die Mitte und stellte ein Argument vor. Die andere Gruppe sollte dazu ein Gegenargument sagen. Die jeweilige „Gang“ unterstützte ihre Redner dabei mimisch und gestisch. „Die Übung fand ich am besten“, erzählte Norman Richter

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Das sieht schon sehr professionell aus!
Danach sprachen wir über die Inszenierung und inwiefern es deutliche Parallelen zu Schillers Drama gibt, woran sich eine Phase, in der Standbilder gebaut wurden, anschloss: Johannas Visionen und das Ziehen in die Schlacht sowie die Verzweiflung des französischen Königs und die neue Hoffnung, die Johanna mit sich bringt, wurden unter anderem von uns dargestellt. „Durch die Übung haben wir gelernt, eine Figur besser zu verkörpern,“ schildert Max Plünnecke.
Nach dieser Übung war der Workshop leider schon vorbei und Marco Faller bedankte sich für unsere Teilnahme. „Ein hilfreichender und motivierender Workshop, der gerne wiederholt werden kann“, urteilte Timo Schäfer im Anschluss. Leonie Heinemann schloss sich dieser Meinung an, ohne lange nachdenken zu müssen:“Der Workshop gab eine gute Übersicht zum Stück und hat viel Spaß gemacht!“ Vor allem die Übung mit den einander gegenüberstehenden „Gangs“ kam dabei sehr gut an. Im Namen unseres Kurses überreichte Frau Binnenmarsch Herrn Faller als Dankeschön ein Geschenk und wir waren gespannt auf den Theaterbesuch.
Hier stellten wir dann fest, dass die Sprache des Dramas in der Inszenierung von Gustav Rueb beibehalten wird. Jedoch gibt es auch Unterschiede: Johanna hört z.B. keine Stimmen, sondern empfängt Bilder, die auf eine übergroße Videoleinwand projiziert werden. Ebenso wird keine deutliche Aussage darüber getroffen, ob Johanna wirklich von Gott gesandt wurde. Das Bühnenbild ist sehr schlicht gehalten, an der Decke gibt es Metallträger, die sich auf und ab bewegen und ein interessantes Schattenspiel auf den Boden werfen. Der Bühnenboden wird häufig verändert; es gibt z.B. eine schiefe Ebene oder einen abgesenkten Teil der Bühne, um verschiedene Räume darzustellen und Personen bedrohlich auf einen zukommen oder aber verschwinden zu lassen. Die Schlachten werden deutlich stilisiert und mit viel Kunstblut dargestellt. Um zu verdeutlichen, dass sowohl die Engländer wie auch die Franzosen die Macht haben wollten, werden diese von denselben Personen gespielt, die sich nur an- bzw. ausziehen. Die moderne Inszenierung kam in unserem Kurs sehr gut an, sie war jedoch mit drei Stunden auch sehr lang und verlangte gutes „Sitzfleisch“.