Occupy everything

Während der dOCUMENTA 13 gab es vor dem Fridericianum das erste Occupy-Camp in Kassel. Doch was steckte tatsächlich dahinter? Wenn man vom Opernplatz aus zu den Documenta-Hallen ging, konnte man rechts neben dem Fridericianum das Camp mit ungefähr 35 Zelten sehen. Aber bei den vielen auf Tafeln und Plaktat geschriebenen Forderungen verlor ein nicht so aufmerksamer Beobachter doch sehr schnell die Orientierung. Das rief uns auf den Plan, mal etwas genauere Nachforschungen anzustellen.

Der zentrale Spruch der Bewegung: Die Kapitalismuskritik
Der zentrale Spruch der Bewegung: Die Kapitalismuskritik

Wir bekamen während unserer Recherchen heraus, dass das Grundziel der Bewegung auf der ganzen Welt die Überwindung des Kapitalismus‘ ist und es zusätzlich noch viele Themen gibt, die wiederum nur einzelne Interessengruppen der Camps unterstützen. Doch am wichtigsten ist den Aktivisten, dass sich durch Aktionen wie Demos oder Kundgebungen mehr Leute für die Ziele engagieren und so ein gesellschaftlich-ökonomischer Wandel einsetzt. Denn wenn nur die Grundbewegung, die sich sowieso schon seit Jahren für ihre Ziele einsetzt, immer dabei bleibt und es trotz des medialen Aufruhrs, zum Beispiel durch das Camp auf der Wallstreet in New York, keine neuen Aktivisten gibt, wird die Bewegung irgendwann wieder von der Bildfläche verschwinden. So scheint es auch in Kassel der Fall zu sein: Wie auf der Abschlussfeier der Documenta lautet die Devise in Kassel jetzt: „Occupy yourself!“ Doch trotz des kurzfristigen Erlebnisses von ein bisschen Spaß bei zeitlich befristeten Besetzungen von Gebieten wie während der Documenta gibt es tatsächlich auch Menschen, die ihr komplettes Leben der „Occupy“- Bewegung verschrieben haben. Dies geht so weit, dass solche Aktivisten zum Beispiel auf eine eigene Wohnung verzichten. 

Welcome
Das Banner, das jeden Besucher des Camps begrüßte
Wir haben in diesem Zusammenhang Ramon getroffen, einen 20-jährigen Aktivisten, der uns einige Fragen zum Leben mit Occupy beantwortet.

Redaktion: Wie kommt man darauf, bei Occupy mitzumachen?

Ramon: Weil man mit den momentan bestehenden Verhältnissen nicht zufrieden ist und etwas verändern will.

Redaktion: Wie findest du das Leben mit der Occupy Bewegung?

Ramon: Sehr angenehm und zielführend.

Redaktion: Was heißt das?

Ramon: Dass man das Gefühl hat, politisch etwas verändern zu können und andere Menschen auf die Probleme des Systems aufmerksam zu machen.

Redaktion: Eine ganz praktische Frage: Wo geht man auf die Toilette?

Ramon: Auf die Toilette gehen wir meist zu Freunden in der Umgebung; und wenn es sehr schnell gehen muss, gehen wir auch mal in die umliegenden Kneipen oder Geschäfte, aber nur, wenn es unbedingt sein muss.

Redaktion: Wo geht man hin zum Duschen?

Ramon: Duschen können wir meistens bei Freunden oder bei Campern, die Wohnungen haben und zum Beispiel nur ihre Ferien oder Freizeit im Camp verbringen.

Redaktion: Wie kommt man an Essen, wenn man, wie viele der Camper, fast ohne Geld lebt?

Ramon: Das Essen wird gekauft oder von anderen gespendet.

Redaktion: Wie leben Occupisten denn im Winter?

Ramon: Im Winter leben die Leute ohne Wohnsitz in Kommunen oder in der Obdachlosigkeit.

Redaktion: Leben im Camp nur Idealisten?

Ramon: Nein, im Camp leben alle, die was verändern wollen.

Redaktion: Danke für die Antworten.

Ramon: Kein Problem!

Ramon und alle anderen Occupy-Vertreter setzen sich somit für ihre Ziele ein, indem sie unter anderem bewusst auf Dinge verzichten, die die meisten von uns als alltäglich bezeichnen und über die wir noch nicht einmal nachdenken würden. Die Ziele sind schon idealistisch und erinnern ein wenig an Robin Hood, doch die Bewegung hofft, dass sie weltweit, auch wegen der Euro-Krise, weiterhin Zustimmung und Zulauf bekommen wird. Aus dem politischen Weltbild ist sie inzwischen nicht mehr wegzudenken, da auch die meisten Demonstrationen in den Krisenländern Europas durch Occupisten mitgeplant wurden.