Einmal nach Afrika, bitte.

 

Mit Sicherheit sind Mathe- und Physikschüler nicht die einzigen, die sich an Herrn Ache erinnern. Im Jahre 2013 hat dieser Kassel verlassen und ist in ein anderes Land ausgewandert. Nein, Italien war es nicht, auch nicht Frankreich oder Spanien. Der humorvolle und beliebte Lehrer hat sich für das exotische Namibia entschieden, einen Staat im südlichen Teil Afrikas. Im folgenden Interview erzählt Herr Ache von seinem neuen Leben, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schule.

giraffe
Giraffenfamilie

 

Herr Ache, wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich dazu entschieden haben, nach Namibia umzuziehen und Ihr vorheriges Leben komplett umzugestalten?

Für die Entscheidung gab es nicht „DEN Grund“. Ausschlaggebend waren aber sicher meine Neugier anderen Ländern gegenüber, Berichte von Menschen, die einen solchen Dienst im Ausland schon absolviert haben, und nicht zuletzt die Angst davor, das gesamte Berufsleben an ein- und demselben Ort verbracht zu haben.

Das war eine ziemliche Umstellung, oder?

Weniger als man glauben mag. Natürlich unterscheidet sich das Leben hier sehr von dem in Europa, speziell in Kassel. Grundsätzlich aber, denke ich, sind das Klima und die fehlenden Freunde der entscheidende Unterschied. Zwar habe ich hier unten jeden Tag Sonne und die fantastischsten Reiseziele vor der Haustür (auf dem Weg zum Einkauf trifft man auch schon mal eine Giraffe im nahegelegenen „Wild-Park“), die Vorteile werden aber durch die Entfernung zu Freunden in der Heimat aufgewogen. Da wir aber für eine begrenzte Zeit hier sein werden, sehe ich mehr Vor- als Nachteile in der Entscheidung, den Dienst hier angetreten zu haben.

Wie gefällt es Ihrer Familie jetzt, mit Ihnen in Namibia zu wohnen?

Das Leben in Namibia unterscheidet sich auf den zweiten Blick im Grunde kaum von dem in Deutschland. In den Geschäften bekommt man alles Lebensnotwendige, das Gesundheitssystem ist gut ausgebaut und im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der Dritten Welt gehören elektrischer Strom und fließendes Wasser zu den (fast) immer verfügbaren Ressourcen. Da man auf nichts verzichten muss und ferner Dinge geboten bekommt, die in Deutschland undenkbar sind, muss man es lieben, (für eine gewisse Zeit) hier zu wohnen.

Haben Sie vor, jemals wieder nach Deutschland zurückzukommen, oder möchten Sie für immer in Namibia bleiben?

Von meinem derzeitigen Standpunkt aus werde ich Namibia nach einigen Jahren wieder verlassen (müssen). Mein Vertrag läuft über drei Jahre und kann auf maximal acht verlängert werden. Danach gelte ich als Tourist und darf mich nicht länger als drei Monate pro Jahr im Land aufhalten. Wenn man eine Arbeitsgenehmigung der namibischen Regierung erhält, sieht das anders aus. Diese ist aber alles andere als leicht zu bekommen, nicht ohne Grund gibt es hier auch Menschen, die sich tatsächlich illegal im Land aufhalten.

Dünen
Wüstendünen
Sie arbeiten dort ja auch als Lehrer. Wie ist die Schule, an der Sie unterrichten?

Ich arbeite an einer der weltweit über 140 Deutschen Schulen im Ausland. Diese sind vergleichbar mit den Schulen zu Hause, man kann (fast) genauso wie am Goethe-Gymnasium Kassel sein Abitur machen. Die Lehrpläne sind nur gering verschieden und die Organisation insbesondere der Oberstufe ist eurer sehr ähnlich. Inländische Schulen hingegen unterscheiden sich natürlich von denen in Deutschland bzw. von der, an der ich unterrichte. Viele dieser inländischen Schulen sind sehr modern, vergleichbar mit europäischen. Schaut man sich aber die Schulen außerhalb der großen Städte an, so nimmt die Ähnlichkeit mit zunehmender Entfernung sehr schnell ab. Darüber kann ich aber derzeit wenig kompetent berichten.

Was gefällt Ihnen an Deutschland und Europa mehr, was an Namibia und Afrika?

pro Deutschland: Kneipen, Brot, faire Gehälter, Verlässlichkeit, öffentliche Verkehrsmittel (die es in Namibia gar nicht gibt).

pro Namibia: Klima, Wildfleisch, Gelassenheit, weniger Hektik, Orte ohne Menschen, Preise in der Autowerkstatt

Sehen Sie Giraffen und andere afrikanische Tiere in der Wildnis?

Sowohl in der Wildnis als auch manchmal auf dem Weg zum Einkaufsladen. Dort übrigens auch, wenn auch zerteilt.

Halten Sie Namibia für ein für afrikanische Verhältnisse relativ weit entwickeltes Land?

Definitiv. Vollständige Infrastruktur, Demokratie (wenigstens dem Grundgedanken nach) und gute medizinische Versorgung. Erst wenn man hoch in den Caprivi fährt, bekommt man eine Ahnung davon, wie es in weniger entwickelten Ländern aussehen muss. Allerdings zählt Namibia immer noch zu den Ländern der Dritten Welt, in dem auch die Korruption an der Tagesordnung steht. Diesbezüglich ist es nicht wirklich weit her mit Entwicklung, aber das Wort „relativ“ in eurer Frage gefällt mir gut.

Wie gefällt Ihnen Windhoek? Wie ist Berlin im Vergleich dazu?

Windhoek ist keine Stadt, wie man sich eine Stadt in Europa vorstellt. Abgesehen vom guten Klima wird das Gesicht der Stadt durch eine hohe Kriminalität geprägt. Die Leute leben hinter Gittern, Zäunen und Mauern. Sicherheitsgesellschaften verdienen viel Geld und man hört fast jeden Tag irgendwo Alarmanlagen. Es kann einem der Gedanke kommen, dass man hier in einer umgekehrten Welt lebt, in der es nicht die Bösewichte sind, die eingesperrt werden. All das ist natürlich nur ein Resultat der Politik und der wirtschaftlichen Entwicklungen, die die Arbeitslosigkeit und die schlechten Gehälter nicht in den Griff bekommen. Wie so oft könnte man auch hier einen Staat aufbauen, der wohlhabend ist. Es gibt Bodenschätze genug, aber vielleicht sind gerade die ein Fluch. Leider führt all dies dazu, dass man sich selbst weniger frei bewegen kann als in Deutschland. Eine Geschichte zum Thema „Wurdest du schon einmal beklaut, überfallen oder beraubt?“ hat hier vermutlich jeder zu erzählen, manche sogar mehrere. Hält man sich aber an ein paar Regeln, kann man hier relativ (!) sicher leben. Ferner ist die „Stadt“ viel zu klein, um mit einer Metropole wie Berlin verglichen zu werden. Häuser mit drei Etagen sind hoch, eine Kneipenszene gibt es keine und das kulturelle Angebot beschränkt sich viel zu oft auf Blockflöten-Konzerte, Fleischwettessen oder Karneval. Es lebt sich hier eher wie in einem Dorf, nicht zuletzt, weil man den Eindruck gewinnt, dass jeder jeden kennt. Wenn man eine Stadt erleben will, dann fährt oder fliegt man schnell rüber nach Kapstadt. In Namibia genießt man das Land außerhalb der „Stadt“.

Namibia hat eine ziemlich hohe Kriminalitätsrate. Ist Ihnen diesbezüglich schon mal etwas im Alltag begegnet bzw. sind Sie oder Ihre Familie schon einmal mit einem solchen Vorfall in Verbindung gekommen?

Klar, das sollte man aber schnell weg-integrieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man etwas geklaut bekommt, bis das Auto aufgebrochen wird oder bis man gebeten wird, seine Wertgegenstände zu übergeben. Auch Hauseinbrüche erleben wir im Kollegium. Die Diebe scheinen aber (noch?) nett zu sein, man wird weder gleich umgebracht noch sind die Leute hier wirklich an Gewalt interessiert. So verschwinden zwar viele Gegenstände, von körperlicher Gewalt habe ich aber nichts zu berichten. Wenn ich mir die Statistik in Deutschland ansehe, erkenne ich allerdings kaum einen Unterschied. Wie oben schon gesagt, muss man sich hier wie da einfach an ein paar Regeln halten und dann ist man relativ sicher. Geht doch einmal nachts durch Frankfurt. Sogar einige Stellen Kassels sollte man in der Dunkelheit (oder auch sonst) meiden, und auf dem Meißner ist auch nicht jeden Tag Blumenwiese. Fazit: Namibia ist ein wunderschönes Land, allein im ersten Jahr haben wir unbezahlbar interessante Erfahrungen gemacht. Wir werden aber ganz sicher wieder nach Deutschland kommen und dann werde ich mit etwas Glück auch wieder eine nette Arbeitsstelle bekommen. Sei es am Goethe-Gymnasium oder irgendwo sonst. Eine Auslandserfahrung ist eine fantastische Sache und ich bin froh um jeden Tag in Namibia. Aber eine geschätzte Heimat zu haben, ist mindestens ebenso wertvoll.

Wir bedanken uns für das Interview und wünschen Herrn Ache alles Gute! Natürlich bleiben wir weiterhin am Ball für Informationen aus Namibia!