Am 08. November hat der Taifun „Haiyan“ die Philippinen getroffen. Tausende sind tot, Millionen von Menschen obdachlos. Ganze Städte wurden zerstört, das Stromnetz scheint in einigen Teilen für Monate beschädigt zu sein und die Hilfsteams hatten lange Probleme, überhaupt zu den Opfern vordringen zu können. Obwohl ich nur wenige hundert Kilometer entfernt bin, scheint die Katastrophe doch vollkommen surreal. Seit Juli bin ich als Menschenrechtsbeobachter auf den Philippinen. In dieser Zeit haben sich im Umkreis weniger hundert Kilometer mehrere Terroranschläge ereignet, es gab ein Erdbeben mit mehr als 200 Toten, doch der Taifun „Haiyan“, der die Philippinen im November erreichte, ist der kaum zu begreifende katastrophale Höhepunkt.
In den letzten vier Monaten sind die Themen Tod, Gewalt und Gefahr nicht unerhebliche Bestandteile meines Lebens geworden. Das hat zum einen mit meiner Arbeit zu tun, in der ich Menschenrechtsverletzungen beobachte und dokumentiere, zum anderen aber auch damit, dass Gewalt und Tod, ausgelöst sowohl durch Naturkatastrophen als auch durch zwischenmenschliche Konflikte, viel mehr zum philippinischen Alltag gehören, als ich es aus Deutschland gewohnt bin. Doch auch dieser „angepasste“ Rahmen, in dem sich mein Alltag abspielt, wurde durch das Erlebnis des Taifuns vollkommen gesprengt. Ein paar Tage vorher hieß es noch, die Philippinen würde lediglich ein heftiger Sturm erreichen, einen Tag vorher erhielten wir eine Sicherheitswarnung der deutschen „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ), die staatliche deutsche Entwicklungszusammenarbeitsorganisation, in der erstmals davon die Rede war, dass es sich wohl um einen der stärksten Stürme aller Zeiten handeln würde. Wir bereiteten uns, so gut wie das bei solchen Ausnahmesituationen möglich ist, vor und kauften Wasser und Lebensmittel für eine knappe Woche. Außerdem wurde der Kerzenvorrat aufgefüllt, weil auch mehrtätige Stromausfälle erwartet wurden. Dann kam der befürchtete Tag X und es passierte bei uns … nichts! Es war ein vollkommen durchschnittlicher Tag mit einigen Regenschauern, aber ohne besondere Vorkommnisse.
Wir atmeten glücklich auf und dachten, dass die Philippinen verschont worden waren und der Taifun allen Wettervorhersagen zum Trotz einfach vorbeigezogen sei. Doch dann trudelten die Meldungen aus anderen Gebieten ein. Inseln seien vollkommen von der Kommunikation abgeschnitten, die Großstadt Tacloban (etwa 200.000 Einwohner) sei zu 90% zerstört und es gebe hunderte von Toten. Aus Hunderten wurden im Laufe der nächsten Tage Tausende, die Zahl der Betroffen, die obdachlos sind und Hunger leiden, stieg von Tausenden auf Millionen. Während uns Dutzende besorgter Nachfragen erreichten und die einzige wirkliche Auswirkung des Taifuns zynischerweise gutes Wetter am nächsten Tag war, häuften sich Berichte, dass in den betroffenen Regionen nicht genügend Leichensäcke vorhanden seien, die Seuchengefahr immens steige und es zu Plünderungen und Überfällen auf Hilfskonvois komme. Immer wieder wurde nun in den Nachrichten von „apokalyptischen Zuständen“ berichtet.
In diesen Tagen, eine knappe Woche nach dem Taifun, wurden wir angefragt, ob wir ein internationales „Assessment-Team“ unterstützen können, welches die Lage vor Ort sondiere, Betroffene zähle und prüfe, wo Hilfslieferungen angeliefert werden sollten, um sie logistisch möglich gut verteilen zu können. Wir wären als deutsche Berichterstatter Ansprechpartner für Medien gewesen und hätten die Maßnahmen der Hilfsorganisationen dokumentiert, um die deutsche Öffentlichkeit zu informieren. In unserer ersten Reaktion zeigten wir sofort Bereitschaft, auf Drängen der IPON-Koordination in Deutschland, der Organisation, für die ich mich auf den Philippinen befinde, baten wir uns aber einen Tag Bedenkzeit aus. Aus Deutschland erreichten uns zu diesem Zeitpunkt viele sehr besorgte und skeptische Mails. Es wurde darauf hingeweisen, dass wir psychisch nie auf diesen Kontakt mit Toten und vollkommen verzweifelten Menschen vorbereitet worden sind und letztendlich immer die Gefahr bestünde, dass wir zu einer zusätzlichen Belastung für die Ersthelfer würden, weil wir keinerlei Erfahrungen für den Einsatz in Katastrophengebieten besäßen, aber zusätzliche Logistik ans uns binden würden. Nach intensiven Diskussionen entschieden wir deshalb schließlich, dass wir deshalb nicht für diese Tätigkeit zur Verfügung stehen würden. Wenige Minuten nachdem wir dies der Organisation, die uns angefragt hatte, mitgeteilt hatten, erreichte uns eine Antwortmail, in der uns glücklicherweise mitgeteilt werden konnte, dass diese ebenfalls bereits davon Abstand genommen hatte, da sie einen ehemaligen Projektleiter reaktivieren konnte, der bereits mehrjährige Philippinen- und Katastrophenerfahrung hatte.
Trotzdem möchten wir natürlich so gut wie möglich helfen. Dass tun wir im Moment, indem wir in unserer Freizeit Säcke mit Nahrungsmitteln für die Opfer des Taifuns packen, Kleidung und Geld spenden. Die Stimmung bei diesen Hilfsaktionen ist der Wahnsinn: Junge und Alte, Frauen und Männer, zivilgesellschaftliche Organisationen und Militär, alle rücken zusammen und versuchen, ihre Fähigkeiten bestmöglich zur Hilfe einzusetzen.
Und helfen kann auch jeder von euch! Vielleicht habt ihr selbst noch ein wenig Geld übrig, vielleicht könnt ihr aber auch eine Spendenaktion in eurer Kirche, eurem Sportverein oder sogar bei kleinen Benefizkonzerten initiieren. Die Philippinen brauchen nun Hilfe!
Aktion Deutschland hilft – Spenden für die Opfer des Taifuns „Haiyan“
Bildquellen:
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Satellitenbild des Taifuns
Luftaufnahme von Tacloban
Aufnahme von der Verteilung von Wasser