Georg Büchner in LK-Händen

Von unseren GastredakteurInnen Lynn Weiss, Iman Cherfaoui und Rasmus Bitterhof

„Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ Georg Büchners revolutionäre Ansichten beschäftigen auch heute noch die Forschung und geben Anlass zum Diskutieren. Im Unterricht haben sich auch die SchülerInnen des Leistungskurses der Q2 (Herr Schön) mit dem Thema auseinandergesetzt und Essays zu Büchner und seiner politischen Einstellung verfasst. Dazu hatten sie drei Werke Büchners als Grundlage für ihre Texte. Wir präsentieren euch hier drei Essays. 

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Dantons Tod (Szene aus einer Aufführung von 1981)

„Der Aristokratismus ist die schändlichste Verachtung des heiligen Geistes im Menschen; gegen ihn kehre ich seine eigenen Waffen; Hochmut gegen Hochmut, Spott gegen Spott“ – von Lynn Weiss

Karl Georg Büchner. Ein Mann, der gegen den eingefahrenen Feudalismus seiner Zeit ankämpfte. Ein Mann, der durch seine oppositionellen Bestrebungen besonders an die Unterschicht appellierte und dadurch versuchte, eine Massenerhebung gegen die herrschende Klasse zu etablieren. Er schrieb die Flugschrift namens „Der Hessische Landbote“, die primär den Bauern aufzeigen sollte, in welch ungebührlicher Lage sie sich befänden. Das Volk sollte endlich realisieren, dass die viel zu hohen Steuern vom Großherzogtum in törichter Weise verpulvert wurden. Mit dem Ausruf „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ schuf Büchner eine Art Slogan, der fortan als Überschrift Büchners Mission galt.

Büchner konnte und wollte nicht verstehen, wie einer Minderheit an Privilegierten eine viel höhere Bedeutung zugesprochen werden konnte als „der großen Masse der Staatsbürger“. In einem seiner Briefe an die Familie schrieb Büchner beispielsweise: „ Sind wir denn aber nicht in einem ewigen Gewaltzustand? Weil wir im Kerker geboren und großgezogen sind, merken wir nicht mehr, dass wir im Loch stecken mit angeschmiedeten Händen und Füßen und einem Knebel im Munde.“ Hierbei kritisiert Büchner (so tat er es auch in vielen seiner Werke) die Unabwendbarkeit des Ablaufs der Geschichte, den „grässlichen Fatalismus“.

In seinem Drama „Woyzeck“ ersticht der mittellose Soldat Franz Woyzeck, der aus einer niedrigen sozialen Schicht stammt, seine Freundin Marie. Der annehmbare Grund: Eifersucht. Der wahre Grund: Die Unterdrückung Woyzecks durch die obere Gesellschaftsschicht und der daraus resultierende Drang nach Selbstzerstörung. Anhand dieses Dramas zeigt Büchner auf, wie das feudale Gesellschaftssystem in der Lage ist, einzelne Personen zum Äußersten zu treiben.

Büchner konstatiert in einem weiteren Brief an die Familie: „Es ist deren eine große Zahl, die im Besitze einer lächerlichen Äußerlichkeit, die man Bildung, oder eines toten Krams, den man Gelehrsamkeit heißt, die große Masse ihrer Brüder ihrem verachtenden Egoismus opfern“. Büchner beteuert, dass er keinen verachten würde, „am wenigsten wegen seines Verstandes oder seiner Bildung“. Er ist davon überzeugt, dass niemand die Schuld für den Rang seiner sozialen Schicht tragen könne: „Die Größe ein bloßer Zufall“.

In dem Drama „Dantons Tod“ spielt der Gegensatz von Arm und Reich eine prägnante Rolle. Büchner studierte die Französische Revolution und lernte aus diesem Studium der Geschichte. Das Volk kann nicht genießen, „weil ihm die Arbeit die Genußorgane stumpf macht“. Diesen drastischen Unterschied zwischen Arm und Reich hält Büchner für die legitime Ursache der Französischen Revolution: „Der Hunger allein kann die Freiheitsgöttin werden.“ Seine Faszination widmet sich dem Widerstand des Volkes gegen die jakobinische Führung, denn Büchner selbst kämpfte für die Emanzipation des Volkes und sprach jedem einzelnen Individuum Handlungsfreiheit zu.

Georg Büchner
Georg Büchner
Büchners Erzählung „Lenz“ „überschreitet die Grenze (…) vom Idealismus zum Realismus“. In der Erzählung diskutiert Lenz mit Kaufmann, einem Freund des Vaters, über eben diese beiden gegensätzlichen Auffassungen. Hierbei wird auch Büchners Einstellung gegenüber diesen konträren Orientierungen deutlich. Büchner bezeichnet den Idealismus als eine sehr unrealistische Darstellung der irdischen Verhältnisse, dem gegenüber steht im Konzept des Realismus die Wahrheit. Büchner behauptet in einem seiner Briefe an seine Familie über sich selbst: „Wenn man mir übrigens noch sagen wollte, der Dichter müsse die Welt nicht zeigen, wie sie ist, sondern wie sie sein solle, so antworte ich, dass ich es nicht besser machen will, als der liebe Gott, der die Welt gewiss gemacht hat, wie sie sein soll.“ Auch Lenz verdeutlicht in genannter Diskussion, dass Menschen nichts Besseres erschaffen können als Gott selbst. Daher übt Büchner auch Kritik an Schillers idealisierter Dichtung und lobt hingegen Goethe und Shakespeare. Für Büchner ist es grotesk, das Hässliche aus der Dichtung verbannen zu wollen.

Aus heutiger Sicht ist Büchner ein raffinierter Vorbote der Strömung des Realismus. Er sehnte sich nach einem Volk, das nicht nur ein Spielball der herrschenden Klasse ist. Nichtsdestotrotz war sich Büchner als Realist bewusst, dass „die Dummheit (…) zu den allgemeine Eigenschaften der menschlichen Dinge“ gehöre, und er verlor anhaltend seine Illusion über die Menschheit: „Ich lache nicht darüber, wie jemand ein Mensch, sondern nur darüber, dass er ein Mensch ist, wofür er ohnehin nichts kann, und lache dabei über mich selbst, der ich sein Schicksal teile“. Schließlich überlebte der von Büchner kritisierte Feudalismus selbigen.

„Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ – von Iman Cherfaoui

So beginnt Büchners berühmte Flugschrift „Der Hessische Landbote“, in der er deutlich zum Ausdruck bringt, was er von den gesellschaftlichen und politischen Missständen seiner Zeit hält.

Georg Büchner, geboren im Oktober 1813, wird durch die Arbeit des Vaters mit psychisch kranken Manschen schon früh mit Elend konfrontiert. Fragen über den Sinn des Lebens und der Einzigartigkeit des Menschen kommen ihm bei der Betrachtung dieses Elends regelmäßig in den Sinn. Die Französische Revolution übt eine große Anziehung bei seiner Suche nach Antworten aus und offenbart ihm erneut die Ungerechtigkeit in der Welt. Sein Entschluss festigt sich immer mehr, er will Veränderung. Doch für eine grundlegende Veränderung braucht man Unterstützung. Diese versucht Büchner mit seinen Werken und vor allem seiner Flugschrift „Der Hessische Landbote“ zu erreichen. Provozierend listet er hier die Ausgaben der Staatsführung auf Kosten der Armen auf. Er zeichnet die extremen Gegensätze von Arm und Reich. In bildlicher Sprache versucht er dem Volk zu zeigen, was die „Ordnung“ mit ihnen anstellt, sie schindet und dennoch hungern lässt.

Büchner hält nichts vom Fatalismus: „Alles was ist, ist um seiner selbst willen da“. Er will Gleichberechtigung für alle Menschen, egal zu welcher Schicht sie gehören. Dies ist für ihn auch ein Grund, eine Organisation für Menschenrechte zu gründen, die er „Gesellschaft der Menschenrechte“ nennt.

Dass er seinen eigenen Kopf hat und nichts auf die Meinung anderer gibt, lässt Büchner auch in einem Brief an seine Familie deutlich werden, wo er seine erstes Werk „Dantons Tod“ und die Offenheit dieses Dramas verteidigt. Er hält nichts von Verschleierung der Wahrheit, er zeigt die Welt, wie sie in seinen Augen ist: „Wenn man mir übrigens noch sagen wollte, der Dichter müsse die Welt nicht zeigen, wie sie ist, sondern wie sie sein wollte, so antworte ich, dass ich es nicht besser machen will als der liebe Gott, der die Welt gewiss gemacht hat, wie sie sein soll.“

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Szenen aus dem "Vormärz": Das Hambacher Fest
In seinen Augen ist die Welt vor allem eines: voller Gewalt. Und genau diese Gewalt fordert er, um die Oberschicht zu stürzen und die Gesellschaft zu revolutionieren. Aus seinen großen Träumen und zum Teil großartigen Gedanken wird jedoch leider nichts: Georg Büchner stirbt im Alter von 24 Jahren und hinterlässt sein unvollendetes Werk „Woyzeck“, welches, genau wie „Dantons Tod“, auf der Realität basiert, sich jedoch verstärkt mit der Psyche des Menschen auseinandersetzt. Georg Büchner, ein Mann, der im Exil lebte, um seine kritischen Werke veröffentlichen zu können. Ein Mann, der sich die einengenden Verhältnisse von der Seele schreibt und die Realität mit all ihren Grausamkeiten nicht schönte. Ein Mann, der überall Gewalt sah und sie forderte, um der Oberschicht die Herrschaft streitig zu machen. Seine eigene Anwendung von Gewalt begrenzte sich jedoch auf seine Werke, er ließ Worte sprechen, nicht Taten. Taten verlangte er von anderen, obwohl er anderes behauptete: „(…) und ich werde mit Mund und Hand dagegen kämpfen, wo ich kann(…)“. Selbst in unserer Zeit wäre der junge Revolutionär nicht zufrieden mit der Gesellschaft. Jedoch würde ihn das Maß an Gewalt im Kampf gegen die Obrigkeit sicher beeindrucken.

Die politische Einstellung Büchners – von Rasmus Bitterhof

Ich habe mich Georg Büchner, einem Schriftsteller und Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts, über die Lektüre seines Werkes „Lenz“ genähert. Bekannte Dramen von ihm sind „Dantons Tod“ und „Woyzeck“.

Diese zu seiner Zeit und auch noch heute kontrovers diskutierten Schriften werfen zwangsläufig die Frage nach Büchners politischer und gesellschaftlicher Einstellung auf, zumal er auch Verfasser des „Hessischen Landboten“ war, eines Pamphlets gegen die Feudalherrschaft in Deutschland. Die frühzeitige Entdeckung des „Landboten“ zwang Büchner jedoch zur Flucht nach Frankreich. Bis dahin war Büchner ein braver und gelehrsamer Sohn eines Chirurgen und ehemals Napoleonischen Beamten und einer Beamtentochter gewesen. Dies scheint kein optimaler Nährboden für einen revolutionären Geist zu sein; dass Büchner sich trotzdem revolutionäre Meinungen zum Thema Politik und Sozialwesen bilden konnte, spricht für sein Genie. Als ich lediglich „Lenz“ und den „Hessischen Landboten“ gelesen hatte, schrieb ich Büchner einen unzerrüttbaren Idealismus zu, doch nachdem ich nun auch seine Privatkorrespondenz gelesen habe, muss ich dies revidieren. Heute sage ich, dass zwar Büchners Genie und Eloquenz unbestreitbar sind, jedoch die Erhabenheit seiner Ansichten und Handlungen nicht. So denke ich nicht mehr, dass Büchner ein Idealist war, sondern viel eher ein Egoist.

Briefen an seine Verlobte und seine Bekannten entnehme ich, dass seine Ansichten zwar kongruent mit denen vieler Revolutionäre sind, sein Ziel jedoch nicht das Wohl der Allgemeinheit war, sondern das Schaffen einer Gesellschaft, die seiner würdig ist. Hierzu sah er die Unterschicht nicht als zu bemitleidende Gruppe, welcher geholfen werden musste, an, sondern als Werkzeug und Katalysator einer Revolution von unten, welche zu diesem Zeitpunkt an dem aufklärerischen Brimborium der gebildeten Mittelschicht zu scheitern drohte. Büchner forderte zwar eine Grundsatzdemokratie und Menschenrechte, schien im persönlichen Umgang jedoch kein ausgesprochen sympathischer Mensch gewesen zu sein. Auf der anderen Seite ist Büchner ein hochintelligenter Mann gewesen, der trotz aller politischer Querelen nicht von seiner wissenschaftlichen Forschung abzubringen war. Büchner war ein gesellschaftlicher Quergeist, dessen Ansichten und Einstellungen bis heute genauso bahnbrechend wie hinterfragbar sind.