Gottes kleine Faust – Kapitel 28: Hilflos

Als Angie wieder zu sich kam lag sie im Bett. Es war immer noch dunkel. Die kleine Nachtischlampe brannte und Oma saß auf dem Schreibtischstuhl, den sie herüber zum Bett geschoben hatte. Neben dem Stuhl stand eine kleine blaue Schale mit Wasser, aus dem die Oma gerade einen feuchten Lappen zog, ihn auswrang und mit ihm liebevoll Angies Stirn betupfte.

„Ich bin´s“, hörte Angie die vertraute Stimme der Oma.

Eine Welle von „Geborgenheit“ strömte aus diesem Satz hinüber zu Angie.
Sie war froh, nicht allein zu sein und Omas Hand zu spüren. Der bedrückende Schmerz, der ihr das Bewusstsein geraubt hatte, war immer noch da, aber durch die Nähe der Oma aushaltbarer.

„Mama ist tot!“ flüsterte Angie.

Die Oma sah auf das ängstlich und verstörte Gesicht der Enkelin. Sie hatte selbst nicht einschlafen können und dann einen Schlag gehört. Daraufhin war sie sofort in Angies Zimmer gelaufen, wo sie das ohnmächtige Mädchen vor dem Bett gefunden hatte.
Jetzt war auch sie froh, nicht allein sein zu müssen und eine Aufgabe zu haben. Die Nähe ihrer Enkelin gab auch ihr neue Kraft.

„Was sagst du denn da? Das darfst du nicht einmal denken“, versuchte sie zu beruhigen.
„Aber ich habe es geträumt….“, stammelte Angie, „und ich bin mir ganz sicher, … dass es so ist“, schluchzte sie und griff nun nach der Hand der Oma.
„Du hast nur geträumt, mein Engel“, sagte die Oma, „du hast nur geträumt.“

Sie strich sanft über Angies Stirn. „Wir träumen oft das, wovor wir uns am meisten fürchten, weil es unser ganzes Denken einnimmt. Und am Ende glauben wir das, wovor wir uns am meisten fürchten, weil wir nichts anderes mehr denken können.“

Sie löste sanft ihre Hand aus der Umklammerung, tauchte das Tuch in die Schale und befeuchtete erneut Angies Stirn. Die Kühle des Tuches tat Angie gut. Wollte Oma sie bloß trösten? Sie spürte ganz deutlich, dass Mama tot war. Der Traum war echt gewesen. Plötzlich kam ihr eine Idee:
Vielleicht hatte Matthias den Traum geschickt, oder Johannes?
Doch statt Hoffnung und Trost aus dem Gedanken zu ziehen, stürzte er sie in ein neues Tal der Tränen. Wenn Matthias ihr im Traum hatte mitteilen wollen, dass ihre Mama gestorben war, starb mit dem Traum auch die Hoffnung, dass Matthias sie wieder gesund machen würde.

Angie überkam eine ungeheure Wut. Die Wut war noch größer als die Trauer. Beide Gefühle verbanden sich zu einer gefährlichen Mischung. Der Freund, den sie so sehr gebraucht hatte und der allein die Mutter wieder gesund machen konnte, war nicht da gewesen.
Tiefe Enttäuschung machte sich breit. Sie hatte an Matthias geglaubt. Er war ihr Engel und Retter gewesen.
Aber jetzt wollte sie ihn nie wieder sehen, da war sie sich ganz sicher.
Sie interessierte der ganze Engel-Kram auf einmal nicht mehr.

Matthias und der ganze Glaube an Gott, an Friede, Freude, Eierkuchen konnten ihr gestohlen bleiben.
Sie hatte ihre Mama verloren. Und das tat weh. Unendlich weh.

„Das war nur ein Traum!“, hörte sie jetzt wieder die Oma sagen, die den neuen Weinanfall nicht anders erklären konnte. „Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Du weißt doch, was Papa gesagt hat. Wir brauchen vielleicht ein Wunder. Wir müssen auf Gott vertrauen und auf ein Wunder hoffen, Angie!“

Angie verstand Oma nicht.
Genau genommen verstand sie schon, was die Großmutter sagte, nur nachvollziehen konnte sie es nicht. Sie hatten zwar gemeinsam über Religion und Glauben gesprochen, aber was wusste die Oma schon? Sie war ihr ganzes Leben jeden Sonntag in die Kirche gerannt und hatte treu gebetet und auch das hatte überhaupt nichts gebracht: ihre Tochter war tot. Und selbst wenn sie noch nicht tot wäre, dann lag sie jetzt halbtot auf der Intensivstation, hatte unerträgliche Schmerzen und würde nie mehr wieder richtig gesund werden
Sie starrte Oma wütend an.
„Ich habe ja auch fest geglaubt, dass ein Wunder geschieht. Aber Matthias ist nicht da gewesen und jetzt ist alles zu spät.“, weinte sie los.

Oma versuchte ruhig zu bleiben.
„Ich verstehe dich nicht. Warum sollte Matthias Mama wieder gesund machen können?“
„Weil er ein Engel ist! Aber er ist verschwunden. Er ist auf einmal weg und jetzt ist alles zu spät. Er hat mir den Traum geschickt.!“

Die Oma begriff nur langsam.
„Der Neue in deiner Klasse ist ein Engel?“
Angie nickte.
„Das hat er dir gesagt?“
„Angie nickte erneut und ergänzte:
Er hat bewiesen, dass er ein Engel ist. Weißt du …“
Angie beruhigt sich ein wenig und dann berichtete ohne zu stocken.
„Er hat ganz unglaubliche Dinge getan und erzählt. Und er hat mir gesagt, dass ich auch ein Engel bin und das jeder ein Engel sein könnte oder mal gewesen ist, als man noch klein und ein Kind war.“

Und dann erzählte sich Angie die ganze vergangene Woche von der Seele. In allen Einzelheiten beschrieb sie die aufregenden, unglaublichen Erlebnisse mit Matthias. Dann schloss sie enttäuscht:
„Weißt du, das ist das Furchtbare: Zu wissen, dass er es hätte verhindern können, und dass er es nicht getan hat. Und ich weiß nicht warum.“
Sie machte eine Pause,
„Aber das ist mir jetzt auch egal.“

Auch die Oma machte eine Pause. Ihr hatte das, was ihre Enkelin gesagt hatte weh getan. Aber sie konnte nur zu gut verstehen, was Angie dachte und fühlte. Ihr war es in den letzten Stunden ähnlich gegangen. Genau diese Fragen hatte sie sich gestellt:

Warum glaubt man ein Leben lang an Gott, wenn er einen dann doch im Stich lässt?

Was nützt es, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen, täglich zu beten und manchmal sogar viel Geld zu spenden, wenn es doch keine Garantie gab, dass man von Krankheiten oder Schmerzen, von Elend und Tod verschont blieb?

Das hatte sich auch die Großmutter gefragt, als sie sich voll Sorge um die eigene Tochter die Augen leer geweint hatte. Aber jetzt, als Angie so schrecklich hilflos und verzweifelt geschluchzt hatte, geschah eine seltsame Veränderung in ihr. Nun, wo Angie wie ein Häufchen Elend blind vor Wut und Enttäuschung ohnmächtig geworden war, fühlte sie in sich ein Gefühl des Vertrauens.
Sie wusste selbst nicht, wie ihr geschah, aber sie meinte, dass sie ihre Enkelin nicht nur wieder aufrichten musste, sondern sie glaubte auf einmal auch, dass sie es schaffen würde.

Als Angies Papa gesagt hatte „wir brauchen ein Wunder“, fühlte sie sich nicht verlassen von Gott. Oh Nein! Sie fühlte sich auf einmal verlassen von den Naturwissenschaften und von den Möglichkeiten ärztlicher Technik, die doch eigentlich die Wunder des 21. Jahrhunderts verrichten sollten.
Angesichts der Tatsache, dass medizinische Hilfe ihre Tochter nicht mehr retten konnte, warf sie sich letztlich doch mit aller Kraft des Denkens auf ihren Gott, der sie doch auch in den guten Jahren ihres Lebens nie allein gelassen hatte. So wollte sie es jetzt auch mit ihrem Gott in den schlechten Zeiten probieren. Wenn Gott nicht helfen konnte, der Mensch konnte es eben auch nicht. Sie hatte entschieden, auf Gott zu vertrauen.
Was anderes blieb ihr nicht mehr übrig.

Und dann erinnerte sich die Oma.
Wie sie in Angies Wut und Verzweiflung ihre eigene Hilflosigkeit und Enttäuschung wiedergespiegelt bekam, erinnerte sie sich an eine Begebenheit aus dem Neuen Testament, die ihr immer merkwürdig vorgekommen war, an deren Ausgang sie sich aber nun mit aller Kraft klammern wollte.

„Kennst du den Evangelisten Johannes, Angie?“ unterbrach die Oma die lange Stille zwischen den beiden.
Angie wandte den Blick von der Decke und starrte ihre Oma an. An Johannes hatte sie schon lange nicht mehr gedacht. Wie kam die Großmutter plötzlich auf Johannes?
„Ja“, antwortete Angie zögerlich. Sie wunderte sich sehr über die Frage. „Ich habe von ihm geträumt, als ich mit Matthias zusammen im Garten der alten Mamsell war. Und ich habe ihn auch gesehen. Er kam als Adler zu uns geflogen.“

Die Großmutter zog die Augenbrauen hoch. Sie merkte, dass etwas wirklich Geheimnisvolles von Matthias ausgehen musste, aber was genau, verstand sie noch immer nicht. Aber das war im Moment auch nicht so wichtig, entschied sie.

„Auch wenn du meine alte Form des Religionsunterrichts belächelst, Angie, so kenne ich mich doch dadurch ganz gut in der Bibel aus.“
Sie spürte eine gespannte Aufmerksamkeit von Angie ausgehend. Sehr deutlich merkte die Oma, dass auch Angie noch immer nicht fertig war mit der Frage nach Gott und der Hoffnung, die sich daraus ergab. Also erzählte sie weiter.
„Johannes erzählt in seinem Evangelium die Geschichte von Lazarus.“
„Und?“, fragte Angie ungeduldig.
„Als du eben von deinem Freund Matthias geredet hast, hast du mich an Marta und Maria erinnert.“

Angie verstand gar nichts.
„Wer bitte schön ist jetzt schon wieder Marta, Oma? Und was willst du mit Maria? Du wolltest mir doch von Lazarus erzählen.“

Die Großmutter lächelte ein wenig. Sie freute sich, dass es ihr gelang, Angie aus ihren traurigen Gedanken heraus zu reißen.
„Das tue ich doch auch, Angie. Die Maria, die ich meine, und von der Johannes erzählt, ist nicht die Mutter von Jesus, sondern eine andere Maria. Marta und Maria sind die beiden Schwestern von Lazarus.“

Angie stutzte. Das wurde ja richtig kompliziert. Was hatte Oma vor?
„Und wer ist dieser Lazarus, Oma? Komm schon. Lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!“

„Lazarus war ein enger Freund von Jesus“, begann Oma. „Und auch von Marta und Maria heißt es bei Johannes, dass Jesus sie sehr liebte.“
„Und was hat das mit mir zu tun? Warum sagst du, dass ich dich an Marta und Maria erinnere?“
„Du musst wissen, dass Jesus damals schon zu Lebzeiten als besonderer Mann verehrt wurde. Du hast sicher davon gehört, dass er viele Wunder gewirkt haben soll. Besonders seine Wunderheilungen waren in der ganzen Gegend bekannt. Als du vorhin erzählt hast, dass Matthias ganz unglaubliche Dinge getan hat, und dass du so sehr gewünscht hast, dass er deine Mama heilen kann, weil er dein Freund ist, da habe ich sofort an Lazarus und seine Schwestern gedacht.“

„Wieso?“

„Jesus war wirklich ein sehr guter Freund der drei Geschwister. Und als auf einmal Lazarus sehr schwer krank wurde, so dass kein Arzt mehr helfen konnte und er vom Tod bedroht war, da ließen die beiden Schwestern einen Boten mit einer dringenden Nachricht zu Jesus schicken. Sie ließen ihm mitteilen, dass sein Freund krank sei. Und sie hofften natürlich, dass Jesus sofort käme und ihren Bruder Lazarus mit einem Wunder gesund machen würde. So wie du es von Matthias gehofft hast.“

Angie begann zu verstehen. Tatsächlich war das ganz ähnlich. Auch sie hatte gehofft, dass Matthias sofort kommen würde, damit ein Wunder ihre Mutter retten sollte. Interessiert fragte sie weiter:
„Und was ist geschehen? Ist Jesus gekommen?“
„Nein. Er hörte die Nachricht und blieb noch weitere zwei Tage, bevor er endlich aufbrach. Und als er schließlich bei Maria und Marta ankam, war Lazarus schon vier Tage im Grab.“

Angie staunte ungläubig. Das hatte sie nicht erwartet! So etwas hatte sie von Jesus bisher noch nicht gehört.
Wie konnte er seine Freunde nur derartig im Stich lassen?
Wenn jemand seinen Freunden nicht hilft, wem will er denn dann helfen?
Aber eigentlich, dachte sie, war das tatsächlich so wie mit ihr und Matthias.

„Das ist ja der Hammer, Oma. Genau so hat Matthias mich sitzen lassen!“
„Die Geschichte geht aber noch weiter!“, sagte die Oma plötzlich und sehr zur Überraschung von Angie.
Angie legte den Kopf schräg zur Seite: „Wie?“
„Als Jesus endlich kam, machte Marta Jesus heftige Vorwürfe…“
„Was sagte sie genau, Oma?“, fragte Angie gespannt.
„Oh, sie macht das nicht anders, als du. Sie sagt zu Jesus: „Wenn du bei uns gewesen wärst, hätte mein Bruder nicht sterben müssen“.“

Angie hörte aufmerksam zu. Sie fühlte sich dieser Marta tatsächlich sehr nahe.
„Und was hat Maria gesagt?“
„Dasselbe wie ihre Schwester Marta,“ antwortete die Großmutter.
„Und was hat Jesus geantwortet?“ wollte Angie wissen. Sie war gespannt darauf, denn sie vermutete nun, dass Matthias das bestimmt auch bald antworten würde.

„Jesus hat was ganz Seltsames gesagt“, antwortete die Oma, „ er sagte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer mich annimmt, wird leben, auch wenn er stirbt, und wer lebt und sich auf mich verlässt, wird niemals sterben“.“

Angie verstand ganz und gar nicht, was das bedeuten sollte. Auferstehung? Leben, auch wenn jemand gestorben ist? Wer sollte das denn begreifen? Sie nicht! Also hakte sie nach.
„Das verstehe ich nicht. Haben das Marta und Maria denn verstanden?“

„Ja. Entgegen aller Vernunft und trotz aller Enttäuschung haben sie beide auch dann noch – vier Tage nach der Beerdigung – auf Jesus vertraut.“

Oma Faust machte eine kurze Pause, weil sie spürte, dass sie selber Marta und Maria ähnlich war, als sie fortsetzte:
„Sie hatten auch gar keine andere Hoffnung, außer der Hoffnung auf Gott, den sie in Jesus Christus am Werk sahen. Marta sagte zu Jesus „Ich weiß, dass Gott dir auch jetzt keine Bitte abschlägt.“. Aber sie meinte das wohl eher in Bezug auf das Leben nach dem Tod, am Ende der Zeiten, im Reich Gottes, wenn die Welt einmal zu Ende ist. Aber dann passierte was ganz Tolles.“

„Was denn, Oma?“ fragte Angie atemlos.

„Jesus hörte die Umstehenden, die sagten „Den Blinden hat er sehend gemacht. Warum hat er nicht verhindert, dass Lazarus gestorben ist?“

Und da ist Jesus sehr zornig geworden. Er ist zum Grab von Lazarus gegangen und hat befohlen, den Stein, mit dem das Grab verschlossen war, wegzurollen. Marta sagte noch, er solle das sein lassen, weil Lazarus schon seit vier Tagen im Grab liege und sicher schon am verwesen sei. Aber Jesus hat nur gesagt, sie solle ihm vertrauen.“

„Und dann?“

„Dann hat Jesus gesagt „Lazarus, komm heraus!“.
Und Lazarus ist tatsächlich lebend aus dem Grab heraus gekommen!“

Angie atmete schwer. War das wieder ein Gleichnis? Das ging doch nicht. Das war doch nicht möglich! Und dann zweifelte sie plötzlich selbst sehr an ihrem gesunden Menschenverstand. Vielleicht war das Jesus ja doch möglich…

Sie wusste nicht mehr, was sie glauben sollte und was sie hoffen durfte.

Hilflos fragte sie Oma:
„Meinst du, Jesus tut das auch für uns?“

„Ich weiß es nicht, mein Liebling. Ich weiß es wirklich nicht. Aber als ich soviel geweint habe und alle Hoffnung schon aufgegeben hatte, habe ich dich gesehen und mich an Marta und Maria erinnert. Vielleicht sind wir beide irgendwie wie Maria und Marta, dachte ich. Und ich dachte an das, was Jesus ihnen gesagt hat, nämlich, dass wir auf ihn vertrauen sollen. Dann würden wir leben, auch wenn wir sterben.“

Sie schaute ihre Enkelin an. Dann sagte sie weiter:
„Ich habe mich entschlossen, ganz fest auf Jesus zu vertrauen. Was bleibt mir denn anderes übrig?“
Sie schlug die Hände vors Gesicht, so dass Angie nicht sehen konnte, ob ihre Omi erneut weinte. Hinter vorgehaltener Hand aber sagte die Großmutter mit fester Stimme:
„Wenn er es nicht richtet, dann haben wir gar keine Chance mehr!“ Sie nahm die Hände weg vom Gesicht und sah Angie an.
„ Versuchen wir, ihm zu vertrauen! Einen anderen Weg sehe ich nicht“

Angie blickte die Oma erneut an. Oma sah tatsächlich verändert aus. Ein Funke Hoffnung brannte in ihr.
Aber der Funke sprang nicht über zu der Enkelin. Der Funke entzündete nicht, wie die Großmutter gehofft hatte, einen neuen Optimismus.
Angie fühlte sich zwar für den Augenblick ein bisschen besser, aber den Glauben, dass Jesus ihre tote Mutter wieder aus dem Grab holen würde, schien ihr doch zu absurd.
Das waren doch alles Märchen. Das ging gar nicht, dass wusste sie.

Aber immerhin brachte sie die Geschichte von Lazarus auf andere Gedanken. Oma hatte erzählt, dass die Geschichte von Lazarus und seinen Schwestern bei Johannes stand. Bei dem Gedanken an Marta und Maria dachte Angie weniger an die Oma und sich, sondern an Anna und sich selbst. Hatte Johannes nicht gesagt, sie sollten ihm einmal schreiben?

Sie spürte, dass jetzt der richtige Moment gekommen war.

„Danke Oma!“ sagte Angie, „Du hast mir sehr geholfen. Mir geht es jetzt schon besser. Ich glaube, ich kann auch wieder einschlafen, ohne schlecht träumen zu müssen. Vielleicht hast du Recht. Ich werde über alles nachdenken.“
Sie streichelte ihrer Oma über die Hände.
„Du kannst jetzt ruhig wieder schlafen gehen. Morgen werden wir unsere Kräfte bestimmt brauchen.“

Die Oma spürte tatsächlich Müdigkeit aufsteigen. Das Gespräch mit Angie hatte ihr selbst geholfen, sich zu beruhigen und neue Hoffnung zu finden. Sie war sich sicher, dass auch sie nun einschlafen würde.
Aber konnte sie Angie wirklich alleine lassen?

„Mein Mäuschen, ich bleibe gerne die ganze Nacht bei dir. Du solltest heute nacht nicht alleine bleiben!“
„Das ist schon gut Oma. Du hast mir echt geholfen.“
Sie lächelte ihre Großmutter dankbar an,
„Das hat einfach gut getan, mit dir zu reden! Danke, Oma!“

Die Oma stand auf und trat ans Bett:
„Also gut. Aber du musst mir versprechen, sofort zu mir zu kommen, wenn du dich wieder schlechter fühlst! Wirst du das tun?“
Angie nickte. „Versprochen, Oma!“
Die Großmutter beugte sich über ihr Enkelkind und küsste sie.
„Diese Nacht werden wir beide nicht vergessen…. Versuche zu schlafen, Kleines. Ich habe dich lieb!“
Dann küsste sie Angie noch einmal und ging zurück in ihr Zimmer.