Was wäre ich bloß ohne Facebook?

„Knutschen ist okay, aber anstubsen geht dann doch zu weit!“ „Wir sind hier nicht bei ‚Wünsch dir was‘, sondern bei ‚So isses’“. „Beziehungsstatus: Ich geh mit meiner Laterne.“ Das alles sind Facebook-Weisheiten, die mal witzig, mal ernst gemeint sind. Das Suchtpotenzial der Seite ist unbestritten, aber warum ist für viele Jugendliche der tägliche Besuch dieser oder auch anderer Plattformen ein Muss? Mit einem Selbstversuch – oder besser: einer Selbstbeobachtung – versuchen wir, wenigstens ein bisschen Licht in die Faszination „Soziale Netzwerke“ zu bringen.

Einleitungstext2
Eine Schülerin beim Chatten im Unterricht

6:00 Uhr. Handy klingelt. Ich wache auf und schalte den Alarm aus. Da ich es sowieso gerade in der Hand habe, kann ich mich ja auch kurz bei Facebook einloggen. Ich melde mich also an und sehe, dass meine Freundin online ist. Wieso dann nicht mit ihr schreiben? Daran, dass ich sie sowieso in einer halben Stunde sehen werde, denke ich nicht. Auch nicht daran, dass ich vor lauter Schreiben die Zeit total vergessen habe. Ein kurzer Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich spät dran bin und mich jetzt beeilen muss, da ich sonst vermutlich zu spät zur Schule kommen werde. Gerade noch pünktlich gekommen. Hätte mein Lehrer nicht im Stau gestanden, wäre ich zu spät, wie so oft in der Woche. Und das nur wegen Facebook. Oder?

Zweite Stunde. Ethikunterricht. Ich laaaangweile mich. Also hole ich mein Handy raus, um mal auf Facebook zu schauen, ob ich Nachrichten oder Benachrichtigungen habe. Tatsächlich habe ich Benachrichtigungen! Jetzt heißt es: Liken und Kommentieren. Als ich fertig bin, bemerke ich, dass die Stunde in fünf Minuten vorbei ist.

Noch so zwischendrin3
Der "Gefällt Mir"-Button
Jetzt noch schnell einen Status posten. Und wieder einmal habe ich eine Schulstunde überlebt, ohne von der Lehrerin erwischt zu werden. Die darauffolgende Stunde eignet sich für meine wichtigen Kommunikationen nicht so gut. Unser Lehrer will, dass wir einen Aufsatz schreiben, und ich muss bis zur Pause warten, bis ich endlich nachschauen kann, wie viele Leute meinen Status kommentiert und geliked haben. Ein komisches Gefühl. Endlich ist Pause. Meine Freundinnen und ich gehen aufs Mädchenklo und checken unser Profil. Die meisten haben Facebook. Man muss nicht mehr telefonieren, sondern kann Nachrichten verschicken. Außerdem kann man Bilder und Interessen mit anderen teilen. Wir machen also noch ein paar gute Fotos und posten sie dann. Dann müssen wir auch schon wieder in den Unterricht und mein Handy-Akku ist leer.

Nachmittags. Ich komme endlich zu Hause an und lade mein Handy auf. Erste Handlung, als ich wieder online sein kann: Ich logge mich auf Facebook ein. Für mich ist das mittlerweile Routine. Auch während ich meine Hausaufgaben mache und einkaufen gehe, bin ich bei Facebook. Damit kann ich mir leicht die Zeit vertreiben, wenn mich andere Dinge langweilen oder ich nichts zu tun habe. Als ich endlich mit Einkaufen und den Hausaufgaben fertig bin, schreibe ich meiner Freundin – natürlich auf Facebook – und frage sie, ob sie Lust hätte, sich mit mir zu treffen. Ich bin enttäuscht, als sie mir antwortet, dass sie keine Lust hat und wir doch auf Facebook weiterschreiben könnten.

Ich habe das Gefühl, dass meine Freundin süchtig nach Facebook ist und mein Facebookkonsum langsam auch schon einer Sucht ähnelt. Also nehme ich mir vor, wie schon so oft, weniger online zu sein. Aber ohne Facebook geht es für mich einfach nicht. 22:00 Uhr. Ich sollte schlafen gehen, aber alle meine Versuche scheitern. Ständig frage ich mich, ob mir mein Schwarm endlich zurückgeschrieben hat oder nicht. Also logge ich mich nochmal ein. Ich sehe, dass er online ist, und wir schreiben noch eine lange Zeit. Dann ist es 0:00 Uhr. Und wieder einmal ist mir klar, dass ich dank Facebook morgen nicht aus dem Bett kommen werde. 

Wer ist hier eigentlich der Übeltäter? Facebook? Die User? Ging es dir schon einmal genauso? Stimme hierzu in unsere aktuellen Voting ab!