Veranstaltungsverbot

(20.04.2005 21:00)

Seit Wochen bereitet der Stadtschülerrat gemeinsam mit dem „Jugendbündnis gegen Sozialabbau (JgS)“ eine Schulveranstaltung mit dem NPD-Aussteiger Jörg Fischer vor. Ziel ist es, Jugendliche über die Gefahr der Neonaziszene zu informieren und die Frage von Rassismus und Diskriminierung an Schulen zu diskutieren. Dem hat jetzt das Staatliche Schulamt einen Riegel vor geschoben.

Homepage des „Jugendbündnis gegen Sozialabbau“

In zwei E-Mails, die an sämtliche Kasseler Schulen verschickt wurden, fordert Karl Werner Hildebrand (Leiter des Staatlichen Schulamts Kassel) die Schulen auf, keinen Raum für diese Veranstaltung zu vergeben. Grund sei die Vermutung, dass Jörg Fischer immer noch der Nazi-Szene nahe stünde. Hiermit reagierte Hildebrand auf eine E-Mail, die Tanja Krienen, eine in Spanien lebende Publizistin, privat an das Staatliche Schulamt gesendet hat.

Informationsfreiheit eingeschränkt?

Die Anschuldigung, Jörg Fischer sei rechtsextrem, ist absurd. Pro Jahr macht er rund 150 Veranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus. Als freiberuflicher Bildungsreferent ist er in ganz Deutschland unterwegs an Schulen, bei Gewerkschaften, oder auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Am 8. November letzten Jahres wurde er z.B. von der jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main zu einer Veranstaltung eingeladen. Dazu kommen Zeitungsinterviews und Fernsehauftritte wie bei „Boulevard Bio“ oder „Berlin Mitte“.
Für die politisch aktiven Jugendlichen ist das Vorgehen des Staatlichen Schulamtes ein Skandal. Statt die Kooperation und das Gespräch mit den Veranstaltern zu suchen, wurde administrativ gehandelt, ohne sich auf sichere Quellen zu berufen.

Der heimliche Rechtsextremismus?

Die Folgewirkungen sind verheerend. Die E-Mails des Staatlichen Schulamtes unterstellen dem Stadtschülerrat, dass er mit Neonazis kooperiere. Die Stadtschulsprecherin Anja Penßler Beyer meint hierzu: „Es ist ein Schlag ins Gesicht für Jugendliche, die gegen Neonazis und rechte Gewalt aktiv werden. Das Vorgehen des Staatlichen Schulamtes enttäuscht mich und wiederspricht meinem Demokratieverständnis“. Die Entscheidung des Staatlichen Schulamtes hat schließlich einen weiteren bitteren Beigeschmack: Sie erweckt den Schein, als sei selbstbestimmtes politisches Engagement von Jugendlichen in der Schule unerwünscht.
Der eingeladene Referent Jörg Fischer zeigt sich ebenfalls schockiert: Das Staatliche Schulamt sabotiere das Engagement von Jugendlichen gegen Rechtsextremismus. Wichtig sei, dass sich die Schüler gegen diese undemokratische Bevormundung wehren.

Noch nicht fünf vor 12

Bewusst wählten die Schüler einen Termin vor dem 8. Mai, an dem sich der Zusammenbruch der NS-Diktatur in Deutschland zum 60. Mal jährt. Es sollte auf die aktuelle Gefahr von Rechts vor allem in Schulen hingewiesen werden. Durch das Vorgehen des Staatlichen Schulamtes wird eine Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt unmöglich. Die Schüler werden sich weiter dafür einsetzen, dass es zu einer solchen Veranstaltung kommt. In den nächsten Tagen werden sie eine Kampagne zur Durchführung starten. Hierzu trifft sich das Jugendbündnis jeden Freitag um 18:30 im DGB Haus (Spohrstraße 6-8)
Nico Weinmann, Presseverantwortlicher von (JgS), Jugendbündnis gegen Sozialkahlschlag

Nachtrag: Nach Recherche des Kasseler Schulamtsleiter Karl Werner Hildebrand ist Herr Jörg Fischer als echter Aussteiger bekannt. Es bestehen „nunmehr keine Bedenken mehr gegen eine Veranstaltung des Stadtschülerrates mit Herrn Jörg Fischer“, so wörtlich Herr Hildebrand. Leider muss damit aber nach Aussage von Nico Weinmann die Veranstaltung aus terminlichen Gründen erst einmal ausfallen.
UO, 26.4.2005