Summertime… and the living is easy?

von unserem Redakteur Steffen Engelbrecht (21.02.2008)

Das Krachen der Aulatür schnitt automatisch den meisten Zuschauern die Worte ab. Das Licht erlosch und es wurde stockfinster. Ein Zucken ging durch den Raum, als plötzlich vier Böller die Dunkelheit durchschlugen und man sah vereinzelt Zuschauer, die unsanft aus ihrem Abenddämmerzustand erwachten. So hatte der DS-Kurs des Jahrgangs 13 die volle Aufmerksamkeit seines Publikums und das Stück konnte beginnen.

 

 
Bevor das Stück begann
 

Es ertönte eine gecoverte Version des Klassikers „Summertime“ und die Bühne wurde in blaues Licht getaucht. So begann die Premiere des zweiten großen Stückes des Kurses für Darstellendes Spiel um halb acht am Mittwoch und Freitag vergangener Woche. Die Vorbereitungen seit September hatten sich ausgezahlt und die 19 Schüler unter Leitung von Herrn Lück, eigentlich Lehrer an der Carl-Schomburg Schule Kassel, boten den Zuschauern unterhaltsame und schauspielerisch brillante 60 Minuten vor einem spartanischen Bühnenbild, das lediglich aus schwarzen Stellwänden, Holzkästen und Stühlen bestand.

 

 
Paul (Akim Stederoth) im Kampf mit seinem Gewissen  

„Summertime… and the living is easy“, nach dem Original „Bang Bang, du bist tot“ von William Matrosimone, handelt von Paul, dem sein Schul- und restlicher Alltag zu einer einzigen Tortur gemacht wird. Paul wird von seinen Mitschülern gemobbt und fertig gemacht. Zusätzlich reagieren seine Eltern auf die Probleme in der Schule nur mit weiterem Druck. So kommt es nach einem erbitterten Kampf mit seinem eigenen Gewissen schließlich zu den vernichtenden Schüssen.

Blutig verschmiert beginnt das Stück mit der Szenerie, dass Pauls Opfer um ihren Mörder herumliegen und immer wieder erwachen, um als Stimmen in seinem Kopf herumzuspuken. Zunächst scheint Paul damit klarzukommen, doch mit der Aufwicklung seiner Vergangenheit werden die Stimmen zu einer immer größeren Belastung.

 

Das ganze Stück spielte auf zwei Bühnen, die unterschiedliche Funktionen übernahmen. Auf der eigentlichen Bühne wurde das Leben Pauls gezeigt, der von seinen Mitschülern gehänselt und runtergemacht wird. Als die Probleme sich häufen, wird er sogar zum Schulpsychologen geschickt, der mit den absurdesten Mitteln versucht, Paul zu helfen. Nicht selten musste man bei diesen Gesprächen schmunzeln. Immer wieder wird er von seinen Mitschülern drangsaliert und sieht Gewalt als letztes Mittel zum Zweck, um wieder geachtet und anerkannt zu werden. Auch seine Eltern, die ihn früher verhätschelt hatten, bekommen Pauls angestaute Wut zu spüren. Er erschießt beide und realisiert erst im Nachhinein, dass er sie zwar verletzen, aber nicht töten wollte. Die zweite Spielfläche befand sich direkt vor der Bühne, wo Pauls Psyche und sein Kampf mit dem eigenen Gewissen gespielt wurde. Soll er vergeben oder seinen Rachegelüsten freien Lauf lassen? Der Tod als Ausweg seiner Probleme? Was er am Ende tat, ist angesichts der blutverschmierten Mitschüler kein Geheimnis.

 

 
Paul (Martin Kimm) wird von seinen Eltern unter Druck gesetzt  

Die Rolle Pauls wurde auf beiden Bühnen von unterschiedlichen Schülern gespielt. Akim Stederoth und Martin Kimm spielten glaubhaft das Leben eines Schülers, der durch ständige Unterdrückung zu einer tickenden Zeitbombe wurde, die am Ende nicht entschärft werden konnte. Auch die anderen DS-Akteure verdienten sich höchste Anerkennung, was ihre Schauspielkünste anbelangte sowie durch die Bearbeitung der Texte, die laut Herrn Lück fast vollständig neu geschrieben wurden. „Der Titel zeigt schon den Kontrast zum Thema. Eigentlich ist die Schule ja „easy“ und eben wie „Summertime“. Aber Paul durchlebt ein Horrorszenario, das ihn schließlich zu diesem grausigen Schritt treibt“, erzählt Herr Lück nach der Premiere und widmet sich wieder stolz seinen Schauspielern, denen die Erleichterung nach der gelungen Vorstellung sichtlich ins Gesicht geschrieben steht. Hoffentlich fällt auch die Benotung dem Zuschauerapplaus entsprechend aus.

 

 
Der Amokläufer von Emsdetten. Was trieb ihn zu dieser Tat?  

Das Stück war nicht nur ein Theater- sondern in Anbetracht der jüngsten Vorfälle in Illinois auch ein Lehrstück. Es wurde gezeigt, wie rücksichtslos der Alltag eines verzweifelten Jugendlichen sein kann und dass oft mehr weggeschaut wird, als konkret geholfen. So kann es zu so blutigen Amokläufen wie in den USA oder hier in Erfurt 2002 oder Emsdetten 2006 kommen.