Das Internet-Testament

von unserer Redakteurin Christine Phieler (31.01.2010)

Nahezu jeder von uns ist heute in einem oder auch mehreren Internetportalen angemeldet. Sei es SchülerVZ, YouTube, Twitter oder auch MSN. Doch wer hat sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, was mit diesen Accounts nach dem Tod passiert?

 

„Legacy Locker“ heißt übersetzt so viel wie „Erbschließfach“

 

Zugegeben, das ist eine ziemlich doofe Frage für Leute, deren Leben eigentlich gerade erst so richtig begonnen hat. Doch die junge Schwedin Sunniva Geertinger musste sich diese Frage nach dem frühen Tod ihres Freundes stellen. Sie wollte sein Facebook-Profil löschen lassen, da sie es für oberflächlich und eher störend für ihre eigene Trauer empfand, dass ständig irgendwelche Leute kurze Abschiedsworte auf die virtuelle Pinnwand ihres verstorbenen Freundes schrieben. Sie wendete sich also an Facebook und bat darum, den Account zu löschen. Facebook jedoch weigerte sich, mit der Begründung, es sei doch eine schöne Erinnerung an den Verstorbenen. Erst als sich Sunniva Geertinger mit ihrem Anliegen an die Presse wendete und das ganze öffentlich wurde, tat sich etwas und Facebook löschte den Account.

 

Dem Problem, was mit E-Mail-Konten und anderen Accounts nach dem Tod passieren soll, nahm sich die schwedische Designerin Lisa Granberg an und entwickelte den Internetdienst „Webwill“. Hier kann jeder, der möchte eine Art Internet-Testament erstellen, in dem er Webwill dazu ermächtigt, beispielsweise eine letzte „Abschieds-Mail“ oder die Zugangsdaten zu den Accounts an die verbliebenen Freunde oder Verwandten zu schicken oder eben die Accounts einfach zu löschen.

 

Um Missbrauch zu verhindern ist Webwill an das amtliche Melderegister angeschlossen. Dadurch werden sie sofort informiert, sobald der Tod eines Kunden eingetragen wurde und können direkt denn letzten „Webwill“ des Kunden erfüllen. Neben Webwill gibt es auch noch wenige weitere Seiten, die diesen Dienst anbieten. Zum Beispiel gibt es den schweizer Dienst „Finalpopup“ oder die amerikanische Seite „Legacy Locker“.

An sich ist die ganze Sache gar keine schlechte Idee, auch wenn sie sicherlich nicht jeden anspricht, doch wäre da noch das eine Problem: Es müssen alle Zugangsdaten, also Benutzernamen und auch die Passwörter angegeben werden, was natürlich Vertrauen an die besagten Seiten voraussetzt. Die Seiten werben damit, dass ihre Systeme so sicher seien, wie die von Banken. So wirbt Legacy Locker mit dem Satz: „Ihre Sicherheit ist unsere oberste Priorität.“

 

„Ich weiß nicht so genau, ob ich da wirklich meine ganzen Passwörter angeben würde. Die können ja viel erzählen und stimmen muss es trotzdem nicht“, findet die 17-jährige Nele Läufer. „An sich finde ich die Idee aber nicht schlecht. Ich glaube ich würde es auch komisch finden wenn zum Beispiel meine beste Freundin plötzlich stirbt und trotzdem können noch alle ihre SchülerVZ-Seite anschauen und ihr auf die Pinnwand schreiben“, erzählt sie weiter. Eva Reichert, Schülerin der Klasse 13, sieht das ganze noch etwas kritischer: „Ich würde meine Daten da nicht angeben. Das wäre mir viel zu unsicher!“

 

Das fehlende Vertrauen lässt das große Geschäft für die besagten Anbieter bisher auch noch ausbleiben. Der Anbieter AssetLock nimmt beispielsweise eine Anmeldegebühr von umgerechnet 50 Euro und pro Jahr kostet das ganze zusätzlich noch 8 Euro. „Ich finde das eigentlich völligen Schwachsinn. Wieso soll ich Geld für etwas bezahlen, dem ich nicht mal wirklich vertrauen kann?“, sagt Dennis Merz, 20 Jahre alt. „Wenn ich möchte, dass meine Accounts nach meinem Tod gelöscht werden, dann gebe ich einem guten Freund die Zugangsdaten und bitte ihn darum. Das wird wohl kein Problem darstellen und ihm kann ich wenigstens zu 100 Prozent vertrauen“, erläutert Dennis.