Der Nudelsalat

Einsichten unseres Redaktionsleiters Ulrich Eichler (09.02.2001 19:40)

Neulich bekam ich mal wieder eine Einladung zu einem Fest. Jeder möge doch etwas mitbringen, um den Gastgeber ein wenig zu entlasten. Einen Salat oder so was ähnliches. „Na, gut“, habe ich gedacht, „einen Salat kriege selbst ich auch irgendwie hin“. Trotzdem, es hat im Stillen ein wenig geärgert, dass ich für die Einladung auch noch was leisten muss. Da kann ich ja gleich die Freunde zu mir einladen.

Der Nudelsalat steht Zelebral-Minimalismus
(Bild: Martin Fengel)

Ein Salat soll es sein. Grüner Salat, nein, der wird sofort platt, wenn das vorbereitete Essig-Olivenöl-Dressing drübergegossen wird. Paprika-Salat? Geht auch nicht, da stoßen die Leute anschließend ständig auf, weil er zu schwer im Magen liegt.Heringssalat? Zu fett, schließlich muss auf die Linie geachtet werden. ich kaufte mir ein Salate-Kochmagazin und nach mehrfachen Durchblättern blieb ich immer wieder beim Nudelsalat hängen. Ja, die Entscheidung könnte richtig sein, denn Nudelsalat ist eine nahrhafte Kost mit angemessenen Kohlehydraten, passt zu allen weiteren Speisen und ist nichts Exotisches. Genau, der Nudelsalat kann mit anderem Gemüse variiert werden: Zum Beispiel mit etwas roter oder gelber Paprika, mit grob in Scheiben geschnittenen gekochten Eier, mit naturbelassenen zerkleinerten Mohrrüben, mit in Würfel zerkleinerte vorgekochter Rote Beete, mit ein paar Blumenkohlröschen, mit angedünsteten Bohnen, mit zerkleinerten Champignons und mit etwas angebraten Speck. Eingebunden wird natürlich das Ensemble aus Nudeln und Gemüse mit einer geschmackvollen Soße. Nein, Majonäse ist längst verpönt: Creme Fraîche mit fein gehacktem Dill und Petersilie macht sich gut.

Stolz übergebe ich dem Gastgeber mein gelungenes Werk. An seinem Gesicht kann ich erkennen, dass meine Nudelsalat-Kreation bei ihm nicht besonders ankommt. Gelangweilt reiht er meine Salatschüssel zu den anderen. Ich traute meinen Augen nicht: Nur Nudelsalate!Ach du meine Güte, so weit ist es gekommen!Zelebral-Minimalismus nennt man das: Mit geringem Aufwand die großartige Leistung herausstellen! Nichts Neues, denn Fußballstars oder Trainer dokumentieren so längst ihre angeblich leicht „schwächelnde Leistung“ bei Interviews. „Eigentlich waren wir gut, und der Mannschaftsgeist war noch nie so stark wie heute!“ Ich denke nur noch Nudelsalat. Ja, Zelebral-Minimalismus hat sich mittlerweile überall als Verteidigungsstrategie breitgemacht. Da kann ich nur noch an Nudelsalat denken. Parteispenden-Skandale, Castortransporte, Partei-Generalsekretäre: Nudelsalat?Das nächste Mal, wenn ich eingeladen werde, bringe ich eine Schüssel „Müsli“ mit. Das ist doch auch ein Salat oder?