Die Lehrer sind unten durch

Von unserem Mitarbeiter Alex Hofmann (15.01.2005 21:50)

Sozialisation in Familie und Gesellschaft ist ein Schwerpunkt des ersten Halbjahres der Jahrgangsstufe 11 im Fach Politik und Wirtschaft. Dabei steht naturgemäß das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern bzw. Jugendlichen im Vordergrund.

Eine Arbeitsgruppe der Klasse 11D hat sich auf der Grundlage eines etwa 20 Jahre alten Fragebogens zur Familiensozialisation die Mühe gemacht, mit diesen „veralteten“ Fragestellungen alle vier Parallelklassen nochmals zu befragen. Das Ergebnis war nicht unerwartet.
Es wurden 108 gültige Fragebögen abgegeben, davon 57 weiblich und 51 männlich. Der Altersdurchschnitt betrug 16 Jahre. Die Befragung kann durchaus repräsentativ für alle 11er-Klassen der Kasseler Gymnasien gelten.
(Grafik bitte doppelklicken)

Leistungsprobleme in der Schule werden zu zwei Drittel mit den Müttern und den Freunden besprochen. Väter und Geschwister sind dabei unterrepräsentiert. Lehrer fallen bei dieser wichtigen Problematik kaum ins Gewicht. Bei Jungen spielen die Väter eine größere Rolle.

Eine durchschnittliche bürgerliche Familie?

In dieser Altersstufe orientieren sich die Schüler eng an ihren Freunden (Peer-Group) und sind dementsprechend ihnen gegenüber am ehrlichsten. Väter haben schlechtere Karten und die Ehrlichkeit gegenüber ihren Lehrern ist anscheinend wenig ausgeprägt.

Klarer Fall, Ferien mit den Eltern zu verbringen ist out, was zum Teil auch mit attraktiven Jugendangeboten der Reiseveranstalter zusammenhängt. Aber das war vor 20 Jahren anders, als immerhin ein Drittel der Schüler mit ihren Eltern die Ferien verbrachten.

Zwei Drittel der Schüler lügen selten oder nie. Auffällig ist aber, dass die Jungen es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen und 5% offensichtlich Lüge und Wahrheit nicht mehr unterscheiden können.

Probleme mit den Eltern werden hälftig mit diesen selbst und mit den Freunden besprochen. Andere Familienmitglieder wie z.B. Geschwister oder Oma spielen eine geringe Rolle, Lehrer bleiben außen vor. Interessant ist die größere Außenorientierung der Mädchen und der deutliche Anteil der Jungen (13%), der „sprachlos“ bleibt.

Verliebtsein ist ein Gefühl, dass zu zwei Drittel mit den Freunden besprochen wird. Zwar spielen Mütter noch eine kleine Rolle, aber Väter und Lehrer dürfen nicht teilhaben. Vor 20 Jahren wurden Väter, Mütter, Geschwister und im Einzelfall sogar Lehrer mit insgesamt bis zu 40% einbezogen.

Sexuelle Probleme werden zu drei Viertel mit den Freunden, sonstigen Personen oder garnicht besprochen. Die Geschlechtsnähe verbindet die Mädchen zwar noch mit den Müttern (20%), aber die Freundinnen (!) überwiegen. Bei den Jungen sieht die Lösungsstrategie etwas undurchsichtig aus, da die Hälfte ihre Probleme mit „sonstigen“(?) oder garnicht bereden. Da waren die Gespräche vor 20 Jahren noch eher auf die nähere Umgebung orientiert. Und sogar der Lehrer (oder die Biologielehrerin?) wurde befragt. Allerdings gibt die Frage keine Antwort darauf, ob sexuelle Probleme vielleicht mit der Partnerin (als sonstige Person) besprochen worden sind.

Fazit der Befragung: In den letzten 20 Jahren hat sich die Orientierung der Jugendlichen deutlich auf Mitschüler und Freunde verstärkt. Der Erziehungseinfluss der Eltern auf ihre jugendlichen Töchter und Söhne hat dementsprechend abgenommen. Dies hat auch die Industrie längst erkannt (VIVA, Mode-Scouts usw.). Der Einfluss und die Erziehungsmöglichkeiten seitens der Pädagogen ist seit dieser Zeit von einem geringen Niveau drastisch auf die Nullebene gesunken.

P.S.: Auf Rückmeldungen (Forum) zu dieser Befragung, die vielleicht andere Ansichten ergeben, wäre die Redaktion dankbar.