(22.12.2000 14:23)
Düsseldorf/Hamburg (gms) – Jeder hat eine Vorstellung davon, wie Filme für Fernsehen und Kino gedreht werden. Wie aber das Equipment an den Drehort gelangt und woher alle Mitwirkenden wissen, wann sie welche Aufgabe erfüllen sollen, ist weniger bekannt. Diese Arbeiten hinter den Kulissen erledigt der Aufnahmeleiter. «Der Aufnahmeleiter trägt die Verantwortung für die Organisation einer Produktion am Set», erklärt Monika Praefke von der Abteilung Nord des Bundesverbands Produktion, der berufsständischen Vertretung von Film- und TV-Produktionsberufen, in Lübeck.
«Er besorgt alles von der Kaffeemaschine bis zu den Drehplänen für die Schauspieler.» Um die Abwicklung vor Ort zu gewährleisten, liest der Aufnahmeleiter das Skript, holt Drehgenehmigungen ein und kümmert sich um Hotelbuchungen und Verpflegung am Set. Und er muss ein Auge auf das Budget haben: Bei einer größeren Produktion kostet ein Drehtag etwa 20 000 Mark. Damit die kalkulierten Ausgaben nicht überschritten werden, muss der Aufnahmeleiter auch wirtschaften können. Eine staatliche Ausbildung für den Beruf gibt es nicht. Einige Produktionsfirmen bilden aber Nachwuchs aus.
Creatv in Hürth bei Köln etwa bietet ein zwölfmonatiges Volontariat an, in dem die Auszubildenden bei Talkshows und Fernsehfilmen eingesetzt werden. «Das Volontariat ist eine duale Ausbildung: Die angehenden Aufnahmeleiter sammeln praktische Erfahrung im Fernsehstudio und am Filmset. Grundwissen über Ton, Licht, Kamera und Regie werden an einer Medienschule vermittelt», sagt Sabine Worgitzki, Pressesprecherin bei creatv.
Bewerber sollen mindestens 20 Jahre alt sein, Abitur und Führerschein Klasse 3 haben. Eine kaufmännische Ausbildung und Praktika im Medienbereich sind erwünscht, aber keine Voraussetzung, so Worgitzki weiter. Für das zweijährige Volontariat bei der Arbeitsgemeinschaft zur Nachwuchsförderung für Film und Fernsehen sind Kenntnisse in Rechnungswesen und Buchhaltung hingegen eine Aufnahmebedingung. Die Arbeitsgemeinschaft ist ein Zusammenschluss von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und kommerziellen Fernsehbetrieben wie etwa Spiegel TV.
Die Geschäftsführung der Arbeitsgemeinschaft liegt seit ihrer Gründung 1960 beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Hamburg, wo jedes Jahr im Januar 36 Volontäre ihre Aufnahmeleiter-Ausbildung antreten – so etwa Christine Neuhalfen, die unter rund 200 Bewerbern einen der begehrten Plätze bekam. Neuhalfen hat die Hälfte ihrer Ausbildung hinter sich und absolviert zurzeit den zweiten von drei Praxisblöcken. Hier lernen die Volontäre mehrere Sender und verschiedene Fernsehformate kennen. Darüber hinaus beinhaltet die Ausbildung zwei Seminareinheiten: Referenten aus der Berufspraxis unterrichten die angehenden Aufnahmeleiter über rechtliche Grundlagen, Technik, Kamera und Schnitt.
Planspiele sollen helfen, die aufwendige Organisation am Set zu üben. Für die Zeit nach der Ausbildung hat Neuhalfen noch keine festen Pläne: «Ich bin für alle Bereiche offen. Ob aktuelle Sendungen oder Film: Alles hat mir viel Spaß gemacht», sagt die Volontärin. Weil die Arbeitsgemeinschaft nach Bedarf ausbildet, ist der Berufseinstieg für Volontariatsabsolventen nicht schwer. Die meisten arbeiten nach ihrer Ausbildung für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten.
Manche wählen aber auch eine Anstellung bei kommerziellen Fernsehsendern oder die Projektarbeit als Freier – so wie Markus Hoock aus Düsseldorf, der seit sieben Jahren als Aufnahmeleiter bei Fernseh-, Kino- und Werbeproduktionen beschäftigt ist. Nach einer Ausbildung als Groß- und Außenhandelskaufmann kam er während seines BWL-Studiums zu seinem jetzigen Beruf. «Ich bin da so reingeschlittert», sagt Hoock: Ein Aushilfsjob am Filmset habe ihm gezeigt, dass ein Produktionsberuf für ihn das Richtige ist. Deshalb brach er sein Studium ab, zog nach Berlin und wirkte bei verschiedenen Kurzfilmen mit.
«So konnte ich Kontakte knüpfen und mich dann von einem Projekt zum nächsten hangeln», erklärt der 33-Jährige. Bald kamen die ersten bezahlten Aufträge als Assistent der Aufnahmeleitung, bevor er genug Erfahrung gesammelt hatte, um selbst Produktionen abzuwickeln. Heute koordiniert er an Drehtagen ein gesamtes Filmteam. Dennoch wird seine Arbeit von den meisten am Set nicht bemerkt: «Ich trete ja erst in Erscheinung, wenn etwas schief geht», sagt Hoock.
Als Hauptverantwortlicher am Drehort muss er zum Beispiel Terminänderungen, Erkrankungen und technische Defekte in die Planung einbeziehen: «Das ist wie Schach. Ich spiele den Ablauf im Kopf durch und setze Sicherungsanker», so Hoock. Deshalb müssen Aufnahmeleiter ihm zufolge strategisch denken können und ein hohes Verantwortungsbewusstsein haben. Weiterhin gehört für ihn zum Beruf, unter großem Zeitdruck die Nerven zu behalten. Wenn gedreht wird, muss er außerdem lange Arbeitszeiten in Kauf nehmen: «Am Set komme ich morgens als Erster und gehe abends als Letzter», erzählt Hoock.
Informationen bietet die Internetseite des KoordinationsCentrums für Ausbildung in Medienberufen (aim) in Köln unter http://www.aim-mia.de. Ein Porträt der Arbeitsgemeinschaft zur Nachwuchsförderung für Film und Fernsehen sowie Bewerbungsfristen und Zugangsvoraussetzungen finden sich in der Service-Rubrik der Homepage des Norddeutschen Rundfunks (NDR) unter http://www.ndr.de/Ausbildung/Arbeitsgemeinschaft.