Das Phänomen Handy

Von unserer Redakteurin Janina Schmidt (29.04.2009)

Morgens um 7 Uhr steht ein Schulkind völlig außer Puste an einer Bushaltestelle. Nach mehrmaligem Wecken der Mutter wollte es nicht aufstehen, ist dann 20 Minuten später aufgestanden, wollte sich natürlich noch Zeit nehmen, in Ruhe das von Mama organisierte Frühstück zu genießen und musste dann zur Bushaltestelle rennen. Pech nur, dass der Bus heute pünktlich und demnach schon längst weg war.

 Handys: Sie regieren unser Leben

Dieses Szenario passiert einem morgenmuffligen Schulkind nur allzu oft. Doch zum Glück gibt es da ein Wundermittel namens Handy, mit dem es Mama schnell anrufen kann, ein bisschen auf die Tränendrüse drückt und dann im Eiltempo vom persönlichen Taxi-Unternehmen Mama zur Schule chauffiert wird, damit es unter keinen Umständen zu spät kommt.

 Kinder haben jetzt die Auswahl zwischen Spielzeug und Handy

Inzwischen verfügen über 90 Prozent der 12 bis 19-Jährigen ein eigenes Handy und geben den Eltern dadurch ein enormes Sicherheitsgefühl, da sie sich im Notfall sofort melden können oder auch rund um die Uhr für ihre Eltern erreichbar sind. Dass ein Handy für die Kinder aber eine unheimliche Gebundenheit an die Eltern bedeutet, ist den meisten von ihnen nicht bewusst.

Während Kinder ohne den dauerhaften mobilen Begleiter eigenständig handeln und die Konsequenzen für ihr Verhalten tragen müssen, können Gleichaltrige Handy-Besitzer im Zweifelsfall immer Mama und Papa kontaktieren, und das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Sich von den Eltern hierbei abzukapseln scheint schier unmöglich, da durch die „Nuckelflasche am Ohr“ quasi eine dauerhafte Verbindung zu den Eltern darstellt.

Doch auch Eltern ermöglicht das Handy den ständigen Draht zu ihren Kindern. „Ich find mein Handy echt praktisch. Jetzt darf ich wenigstens länger alleine draußen bleiben, weil ich im Notfall ja immer für meine Eltern erreichbar bin“, erklärt Johannes Pohl, 14 Jahre. Nur für die 17-jährige Leni Sommer bedeutet ein handy nicht automatisch Freiheit und Selbstständigkeit.  „Irgendwie merke ich auch bei meinen Freunden, dass die nicht in der Lage sind, mal selbst etwas zu entscheiden. Bei jeder Kleinigkeit rufen die ihre Eltern an und fragen, was sie tun können“, erklärt sie.

Macht das Kind zum Beispiel gerade einen Ausflug mit den Freunden nach Berlin und steht nach einem eigentlich belanglosen Streit mit diesen allein auf dem Berliner Hauptbahnhof, kann es mal eben Mama anrufen, sich über die eigenen Freunde beschweren und einen Abholservice verlangen, obwohl diese mal schlappe 500km weiter zuhause vorm Fernseher sitzt.  Eltern, die dieses Verhalten auch noch unterstützen, brauchen sich dann später nicht zu wundern, wenn ihre Kinder nicht selbstständig genug sind. Nicht nur dem Handy sei Dank…