(03.12.2004 16:10)
Mit der „Readerscan“-Methode erforscht die Würzburger „Main-Post“ die Interessen ihrer Leser und kommt dabei auf erstaunliche Ergebnisse.
Die tägliche Quote gibt es jetzt nicht nur für Fernsehsendungen, sondern auch für Artikel in Tageszeitungen. Möglich macht das ein neues elektronisches Verfahren, das den „gläsernen Leser“ im Visier hat. Die Würzburger „Main-Post“ war nach eigenen Angaben die erste Tageszeitung in Deutschland, die diese Methode genutzt und mit den ersten Ergebnissen zum Nutzungsverhalten der Leser ihr Blatt bereits deutlich umgekrempelt hat. „Die Methode wird die Zeitungsbranche revolutionieren“, sagt Chefredakteur Michael Reinhard. „Schon in einigen Jahren wird es keine größere Zeitung mehr geben, die auf dieses Instrumentarium verzichtet“.
In der Praxis sieht die Idee des Schweizers Carlo Imboden vom „Readerscan“ im Falle der „Main-Post“ so aus: Eine ausgewählte Gruppe an Abonnenten, die einer anvisierten jüngeren Ziel-Leserschaft entspricht, nimmt beim täglichen Zeitungslesen einen elektronischen Stift zur Hand. Damit markieren sie durch Anstreichen, welchen Artikel sie bis zu welcher Stelle gelesen haben. Nach der Lektüre werden die Daten an einen Rechner übermittelt und noch am Erscheinungstag bekommen Blattmacher erste Ergebnisse auf den Tisch.
„Das ist eine knallharte und unbestechliche Methode, die dir sagt, was der Leser wirklich tut“, betont Reinhard den Vorteil gegenüber den bisherigen Leser-Befragungen im Nachhinein. Diese hätten keine verlässlichen Daten zum tatsächlichen Leseverhalten geliefert. Die Kosten für die Untersuchung mit „Readerscan“ beliefen sich je nach Ausmaß auf 75 000 bis 150 000 Euro. Das Verfahren ist auch aktuelles Titelthema der Fachzeitschrift „Medium Magazin“.
Die „Main-Post“ hat bereits in zwei vierwöchigen Wellen ihre Leser durchleuchtet. „Das herausragende Ergebnis war das überraschend schlechte Abschneiden des Lokalsports“, erklärt Chefredakteur Reinhard. Allgemein schnitten die Lokalseiten schlechter ab als der überregionale Mantel, der aber bei der „Main-Post“ bereits mit den wichtigsten regionalen Themen durchsetzt sei. Auch klassische Kulturartikel würden kaum gelesen. Dagegen wollten die Leser die „Tagesschau-Themen“ auch in der Zeitung wieder finden. „Die Fernseh-Nachricht ist auch für die Zeitung ein Quotenrenner“, sagt Reinhard. „Wir brauchen keine Scheu davor zu haben, ein Thema, das breit in anderen Medien vertreten ist, aufzugreifen.“
dpa vom Dienstag, 23.11.2004, 15:19, aus: newsroom.de