Erik Tuchtfeld in Bolivien – Teil 2

von unserem Schulsprecher Erik Tuchtfeld (26.09.2010)

In den zwei Wochen hier wurde mir gesagt, wie ich mich verhalten soll, um Überfällen und Entführungen vorzubeugen, dass ich es vermeiden soll, technischen Geräte in der Öffentlichkeit zu tragen. Mir wurde von Entführungen erzählt, die bereits in Freundeskreisen vorgekommen sind, mir wurde erzählt, dass hier auch fast jeder schon ein- bis zweimal ausgeraubt wurde, dass die Überfälle sich unterscheiden zwischen Überfällen, bei denen man auch verprügelt wird, oder denen, in denen man nur eine Pistole in die Rippen gepresst bekommt. Auch wenn ich das Alles glücklicherweise noch nicht erlebt habe, zeigt es mir aber den starken Kontrast, dem ich selbst hier, in dem wahrscheinlich besten Viertel in Santa Cruz, ausgesetzt bin. 

 Stacheldraht, wohin man schaut.

Knapp zwei Wochen bin ich nun inzwischen in Südamerika, ich habe viel erlebt, viel Neues wahrgenommen und Verhaltensweisen entdeckt, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob ich sie schon richtig deuten kann. Zunächst einmal muss man natürlich festhalten, dass ich auf Grund des großen Gefälles zwischen Arm und Reich nicht über die Verhaltensweisen von allen Bevölkerungsschichten des Landes sprechen kann, deshalb sind meine Berichte auch nicht, bzw. nur in sehr geringen Teilen, als generelle Kommentare zur bolivianischen Lebensweise zu verstehen. Ich selbst lebe hier in der Oberschicht, besuche eine Schule, auf die der „Geldadel“ meiner Region geht, und erlebe auch auf den Feiern und Veranstaltungen, an denen ich teilnehme, kaum Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten.

Ich sehe Villen, Wohnhäuser, die mit Swimmingpool ausgestattet sind, prunkvolle Anlagen neben Bauruinen, die allerdings trotzdem auch bewohnt werden. Und wenn man jetzt anfängt, genauer hinzusehen, fallen einem der Sicherheitsdienst und der Stacheldrahtzaun auf meterhohen Mauern doch noch stärker ins Auge. Genauso wie die Bemühungen der Geschäfte, arme Menschen vom Betteln vor ihren Läden abzuhalten, auch dies wieder mit privaten Sicherheitskräften. Man verlässt sich hier in der Gegend nicht auf die Polizei, man sichert sein Haus lieber selbst. 

Es war ein absoluter Konsens zwischen allen Menschen, mit denen ich bisher gesprochen habe, dass der Ruf der Polizei hier zu Recht so schlecht ist. Hier darf man alles, wenn man dabei genügend Geld in der Tasche hat, um die Polizisten, die einen anhalten, davon zu überzeugen, dass man doch alles richtig gemacht habe. Insbesondere handelt es sich hierbei um Verkehrsdelikte; solange man genügend Geld hat, kann man sich hier auf der Straße vermutlich alles erlauben.

Es ist aber für mich als Mitteleuropäer sehr faszinierend, die Unterschiede zu erkennen und zu deuten, oft sind es auch gerade Kleinigkeiten, die einem besonders auffallen. Da gibt es zum Beispiel den klassischen Fall der Pünktlichkeit, die gibt es hier in Bolivien nämlich nicht. Wenn man sich um 15:00 Uhr verabredet, ist man auch um 16:30 Uhr noch eher zu früh, auf keinen Fall aber zu spät. Und Hunde gibt es meiner Wahrnehmung nach auch deutlich mehr als in Deutschland. Kaum ein Haushalt hat keinen Hund, oft sind es keine besonders großen, aber einen Hund gibt es eigentlich immer. Dementsprechend muss man auch aufpassen, wie nah man sich am Zaun befindet, wenn man auf dem Bürgersteig entlanggeht, weil es dann schon passieren kann, dass man sich auf einmal ganz fürchterlich aufgrund des Gebells von mehreren Hunden gleichzeitig erschreckt, die sich dann nur wenige Zentimeter von der eigenen Wade entfernt befinden, nur durch einen dünnen Drahtzaun zurückgehalten.