Kongress: Jedes dritte Schulkind zeigt auffälliges Verhalten

(01.12.2000 16:09)

Göttingen (dpa) – Fast jedes dritte Schulkind in Deutschland zeigt nach Schätzung von Wissenschaftlern Verhaltensstörungen und hört kaum noch auf Eltern und Lehrer. «Kinder ohne emotionale Bindungen werden in einer selbst gebastelten, egoistischen Welt groß. Hier liegen auch die Wurzeln für Gewalt und Ausländerhass», sagte am Freitag Prof. Gerald Hüther zum Auftakt des Kongresses «Im Teufelskreis der Selbstbezogenheit – Kinder ohne Entwicklungschancen?» in Göttingen.
Viele Eltern wüssten nicht, dass eine Vernachlässigung in den ersten Lebensjahren fatale Folgen für die Ausprägung des kindlichen Gehirns haben kann. «Das Gehirn entwickelt sich nicht an Routinen, sondern bei der Lösung von Problemen. Wird es nicht herausgefordert, werden bestimmte Vernetzungen für komplexes Denken und Handeln nicht ausgebildet», warnte der Neurobiologe und Kongresspräsident Hüther (Göttingen).
Die Auswirkungen mangelhafter Erziehung und das Fehlen kognitiver Fähigkeiten bekommt auch die Volkswirtschaft zu spüren. Nach einer amerikanischen Studie könnte das Bruttosozialprodukt weltweit drei Mal höher liegen, wenn die heutige Berufsgeneration bereits im Elternhaus «weiche Schlüsselqualifikationen» wie Kreativität, Menschenkenntnis und Kooperation gelernt hätte.
Die Tagung mit rund 900 Erziehungswissenschaftlern, Psychiatern und Medizinern über Lern- und Verhaltensstörungen bei Kindern steht unter der Schirmherrschaft der Deutschen Liga für das Kind (Berlin) und gilt als erste fachübergreifende Veranstaltung dieser Art in Deutschland.