Unpünktlichkeit? Unmöglich!

von unserer Redakteurin Kirstin Appel (28.03.2011)

Sind wir nicht alle schon einmal zu spät gekommen? Sicherlich – aber was, wenn so etwas zu oft passiert? Mit dem Problem Pünktlichkeit müssen sich Schüler und Lehrer regelmäßig auseinandersetzten: Wie geht man zum Beispiel als Lehrer richtig damit um? Und ist es wirklich so schlimm, sich als Schüler ein paar Minuten zu verspäten?

 Pünktlichkeit um 1950 – eine Selbstverständlichkeit

„Okay. wenn man 20 Minuten zu spät kommt, ist das schon etwas extrem, aber wenn man sich einmal um zehn Minuten verspätet, finde ich das nicht so schlimm“, erklärt Maria Müller (Name von der Redaktion geändert), „in den ersten paar Minuten macht man meistens sowieso nichts Wichtiges.“

Frau Meier (Name von der Redaktion geändert), Lehrerin unserer Schule, sieht aber genau in dieser Einstellung das Problem: „Die Frage ist doch, warum man noch nicht direkt mit dem Unterricht anfangen kann! Wenn bereits alle Schüler direkt zu Anfang des Unterrichts da wären, könnte man auch pünktlich anfangen. Ich bin für gewöhnlich eine Minute, nachdem ich in der Klasse angekommen bin, bereit Unterricht zu machen. In dieser Zeit trage ich meist auch schon die Fehlenden in mein Kursbuch ein, wenn danach noch jemand kommt, notiere ich mir auch, wie lange derjenige zu spät gekommen ist.“

Auch das Argument, dass Lehrer ja auch immer mal wieder unpünktlich sind, lässt Frau Meier nicht gelten: „Man muss immer bedenken, warum wir Lehrer zu spät sind, denn ich persönlich versuche immer, schon alleine aus Respekt meinen Schülern gegenüber pünktlich zu sein. Wenn ich also mal zu spät komme, liegt das daran, dass ich zum Beispiel noch ein Dienstgespräch mit einem Kollegen führen musste.“
 
Frau Emde sieht das Thema relativ entspannt, solange es nicht zur Gewohnheit wird: „Wenn jemand wiederholt zu spät kommt, fällt das schon auf und geht auch in die mündliche Note mit ein.
Passiert es aber nur manchmal und der Schüler hat eine plausible Erklärung, dann ist das schon okay.“
Wichtig ist für Frau Meier, wie Schülerinnen und Schüler, die zu spät kommen, reagieren, wenn sie den Klassenraum betreten. Sind sie höflich, entschuldigen sich und können eine Erklärung vorweisen, lässt sie das Fehlverhalten eher durchgehen, als wenn der Schüler oder die Schülerin in den Unterricht hereinplatzt und dies als lustigen Auftritt nutzt. „So ein Verhalten ist respektlos der Klasse, die sonst pünktlich angetreten ist, und mir gegenüber. Denn im Großen und Ganzen beeinträchtigt und stört dieser Schüler den Unterricht und die Konzentration der anderen.“
 
Schülerin Sophie Braun (Name von der Redaktion geändert) fügt hinzu: „Klar war ich auch schon mal spät dran, aber alles in allem bin ich der Meinung, dass jemand, der zu spät kommt, selber schuld ist, wenn er etwas verpasst. Das merkt derjenige dann spätestens in der nächsten Arbeit.“ Doch über die derzeitigen Maßnahmen in den USA ist Sophie entsetzt: Denn in Kalifornien droht Schülern jetzt wegen eines ganz ähnlichen Phänomens eine umstrittene Maßnahme.
 
 
Moderne Technik – eine Notwendigkeit?  
Das Projekt wurde anfangs nur in Anaheim (Kalifornien) für sechs Wochen bei Schülern der 7. und 8. Klassen getestet. Wer vier Mal unentschuldigt dem Unterricht fernblieb, wurde mit einem gps-Tracker ausgestattet. Das bedeutet, dass der Schüler fünf Mal am Tag einen Code in den Tracker eingeben muss: Wenn er oder sie das Haus verlässt, in der Schule ankommt, zur Mittagspause, beim Verlassen der Schule und um 8 Uhr abends. Jedes Mal, wenn der Code eingegeben wird, wird dem zugewiesenen Betreuer des Schülers dessen genaue momentane Position übermittelt. Außerdem besitzt der Tracker eine Weckfunktion, damit der Schüler auch nicht verschläft. Der Betreuer meldet sich zudem drei Mal die Woche bei seinem Schützling, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen.
Zwar findet dieses Projekt noch auf freiwilliger Basis statt, jedem Schüler, der sich weigert, droht aber ein möglicher Schulverweis. Ein Grund für diese Maßnahme der Stadt könnte nicht nur der Fakt sein, dass permanentes Schwänzen in Kalifornien eine Straftat ist, sondern vor allem, dass kalifornische Schulen nach der Anzahl der anwesenden Schüler bezahlt werden.
Ähnliche Projekte fanden auch schon in Baltimore und San Antonio statt, wo es ein positives Feedback gab. Die Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler konnte dort von 77% auf 95% erhöht werden. Ein Grund für Los Angeles und San Diego, vielleicht schon bald dem Anaheimer Vorbild zu folgen. 
Trotzdem hält Anna Siebert, Schülerin der E-Phase, nichts von solchen Maßnahmen: „Das ist ein klarer Eingriff in die Privatsphäre der Schüler, sie sind ja schließlich keine Schwerverbrecher, sondern fast noch Kinder.“ Auch Maria äußert sich kritisch und fügt hinzu: „Zum Glück ist ein solches System in Deutschland aber kaum vorstellbar – das ist doch viel zu teuer!“ Da hat sie wahrscheinlich (oder hoffentlich) Recht!