Alles muss raus!

Von unserem Redakteur Lazar Backovic (30.01.2005 21:50)

Ein bisschen traurig waren wir ja schon, dass wir uns in diesem Jahr nicht mehr in ein WSV-Getümmel stürzen müssen. Und dann kehrt er doch in den verschiedensten Formen wieder: Ein schwedischer Textilvertreiber verkleidet z.B. die Schaufenster seiner Filialen mit roten Quadraten, auf denen in weißen Lettern „SALE“ zu erkennen ist. Prospekte im Überfluss liegen in Deutschlands Wohnzimmern. „WSV – Alles muss raus!“ prangt auf den bunten kleinen Heften. Aha, ertappt. WSV=Winterschlussverkauf. Es war doch längst entschieden. Und dann doch: „WSV“ wohin man sieht, trotz Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.

Die signalfarbenen Werbemaßnahmen stechen dem Verbraucher sofort ins Auge

Ich habe einmal nachgeschlagen, wie Enzyklopädien und Lexika den Sachverhalt sehen: Der „Winterschlussverkauf“ ist ein „Saisonschlussverkauf“, welcher wiederum als „Sonderverkauf von bestimmten Waren zu herabgesetzten Preisen am Ende eines Verbrauchsabschnitts“ definiert wird (Quelle: Brockhaus). Hört sich vernünftig an für das unvernünftige Unterfangen, das man beim WSV-Bummel eingeht. Da werden soeben gekaufte Regenschirme zu gefährlichen Stoßwaffen, der Ellebogen zum unverzichtbaren Instrument am Wühltisch und der Gegenüber (wenn er denn das gleiche Ziel hat) zum Erzfeind. Was wirtschaftlich klug und gewinnbringend aussieht, ist zwischenmenschlich ein einziges Desaster. Die Kommunikation funktioniert nur noch per Handzeichen oder durch ein lautes „Komm (kurz für die Aufforderung, kleinbeizugeben ohne mürrische Miene)! Hier gibt’s Flanellhemden für acht neunundneunzig.“ Darüber hinaus kann ein Paar den Winterschlussverkauf nur ohne Streit überstehen, wenn die Beiden keinen Wert darauf legen, ob ein Kleidungsstück passt, unabhängig vom Aussehen.

Der Prospekt eines großen Bettenlagers

Dieses typische Bild hat der Brockhaus beim Definieren nicht beachtet. Aber das ist ja auch nicht so schlimm, wenn der Brockhaus nicht auf den WSV achtet, schließlich achtet der WSV auch nicht darauf, was der Brockhaus als WSV ansieht. Dort heißt es ja, der WSV sei ein Saisonschlussverkauf – klar, die Winterklamotten müssen aus den Lagern und in die Hände des Konsumenten. Aber wie kommen dann Möbelhäuser und Bettenlager auf den Gedanken „dicke Prozente“ auf ihre Artikel zu geben. Ich habe noch nie jemanden sagen hören: „Mein Schuhschrank ist saisonal.“ Oder ist es vielleicht so, dass die Besitzer von Großmöbelhäusern ihrem Sommerschuhschrank im Winter einen Schal umbinden?! Feststeht, das Thema WSV im Bezug auf Möbelhäuser und Bettenlager sorgt beim Verbraucher für Verwirrung. Der einzig nachvollziehbare Gedanke ist, dass ein Bettenlager Winterbettwäsche zum Spottpreis anbietet. Doch beim Durchblättern der illustrierten Prospekte kommen mir Duschvorhänge, Taschenfederkernmatratzen, Wanduhren und nicht zuletzt Tischleuchten, die offenbar nur im Winter Licht spenden, entgegen.

Einkaufen kann schnell enttäuschen

Ein echtes Schnäppchen kann man allerdings wirklich machen, sofern es niemandem etwas ausmacht um acht Uhr statt zur Schule oder zur Arbeit in die Innenstadt zu fahren und völlig unausgeschlafen nach „der“ Hose zu schauen, für die es sich meistens schon als zu schwierig herausstellt, die Farbe Schwarz zu haben. Aber auch ehrliche (und ausgeschlafene) Schüler und Arbeitnehmer sollen natürlich die Möglichkeit haben Geld zu sparen. Für sie bleiben noch die ansehnlichen Kleidungsstücke und Accessoires in XXS und XXL übrig. Und wenn man nach den extrem reduzierten Artikeln aus dem Schaufenster fragt, darf der ehrliche Schüler und Arbeitnehmer einer reizenden Angestelltenstimme zuhören, die ihn darauf hinweist, dass er besser heute morgen hätte da sein sollen, weil die Stückzahl des Artikels begrenzt sei.

Bei Rabattaktionen und Schlussverkäufen sind die Städte überfüllt

Aber das gehört zum beliebten Schlussverkaufbummel dazu. Und auch nächstes Jahr wird es wieder Rangeleien um die Boxershorts, den Skirolli und die Thermounterhemden geben. Hier gilt das Gesetz des Schnelleren und Dreisteren.
Ja, ich dachte er sei weg, aber ich muss mich korrigieren: Der Winterschlussverkauf ist wieder da. Er war eigentlich nie weg – … nur im Sommer. Und eine kleine Anmerkung: Die Geschäftsleute waren umsatzmäßig mit dem diesjährigen „Pseudo-WSV“ sehr unzufrieden.

Eine geschickte Alternative:
Online einkaufen!