Angela, eine Frau geht ihren Weg

Von unserem Redakteur Sebastian Szczpaniak (25.11.2005 17:25)

Seit letztem Dienstag ist Angela Merkel die erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. „Eine Frau!“ Als ob Frausein ein Makel, eine Schwäche wäre, stöhnen viele männlichen Vertreter der deutschen Wählerschaft über die neue Regierungschefin. Dabei ist die 51-jährige Naturwissenschaftlerin als DDR-Vorzeigefrau und politische BRD-Seiteneinsteigerin mit einer Blitzkarriere von der Bundesministerin für Frauen und Jugend (1991 bis 1994) über das Umweltressort zur Vorsitzenden der CDU (ab 2000) aufgestiegen und nun Regierungschefin. Damit steht Frau Merkel in einer Reihe mit Golda Meir, Indira Gandhi und Julia Timoschenko.

Gola Meir, Indira Gandhi und Julia Timoschenko (v.l.)

Dennoch zieht sich der Diskurs über dieses leidige Thema „Frau als Kanzlerin“ durch verschiedenste Unterrichtsstunden und Gesprächsrunden. Da werden mal plumpe sexistische Statements geäußert, mal die Ossi-Keule geschwungen, hin und wieder gibt es auch Verteidigungsplädoyers nach dem Schema „Frau = sensibel = bessere Politik“. Dass dieses Thema von gewisser Wichtigkeit und Diskussionsberechtigung ist, sieht man an der Existenz dieses und vieler anderer Artikel.

Ihr größter Triumpf, die Vereidigung

Gewiss ist die Wahl Merkels ein Meilenstein in der Bundesrepublikanischen Geschichte. Doch die Fragen, die sich die Wähler und Diskutanten stellen sollten, sind nicht, ob Angela Merkel als Frau fähig ist, ihr Amt zu meistern, vielmehr stellen sich weitere Fragen: Warum ist es nach über 80 Jahren Frauenwahlrecht und mehreren Jahrzehnten aktiver Beteiligung von Politikerinnen erst jetzt zur Wahl einer BundeskanzlerIN gekommen? Wieso spielt dieses Diskussionsthema in unserer angeblich gleichberechtigten Gesellschaft überhaupt eine Rolle.

Ihr Verbündeter, Bundespräsident Horst Köhler

Die Diskussion um Angela Merkel zeigt erneut, dass unsere Gesellschaft wirkliche Gleichberechtigung noch nicht erreicht hat. Zu fest ist noch die Idee, dass ein Land eine starke, bestimmende, durchsetzungsstarke, ergo männliche Führungsperson braucht, im Bewusstsein unserer Gesellschaft verankert. Dieses Denkschema wurde exemplarisch im Jahr 2002 deutlich, als Merkel zugunsten Edmund Stoibers auf ihre Kanzlerkandidatur verzichtete.

Ihre Mannschaft, mehr SPD als CDU-Minister

So gerechtfertigt auch eine Kritik an Angela Merkel, ihren politischen Zielen und dem Programm ihrer Partei ist, so illegitim und unsinnig ist eine Diskussion über die Tatsache, dass sie eine Frau ist. Gut, dass es endlich einen weiblichen Regierungschef gibt! Nicht, dass sie etwas besser machen würde, nur weil sie eben eine Frau ist. Dennoch kann Angela Merkels Kanzlerschaft ein weiterer Schritt in eine Gesellschaft sein, in der die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht Zielvorstellung, sondern Normalität wird. Dorthin ist es noch ein langer Weg, auf dem die Gesellschaft, besonders ihre männlichen Mitglieder, einige eingerostete Wertvorstellungen über Bord werfen sollte.

Ihre größte Aufgabe, Angela Merkel am Kabinettstisch