Aus den Augen, aus dem Sinn

Ein Kommentar von unserem Redaktionsleiter Ulrich Eichler (27.01.2001 00:55)

Angriff soll manchmal die beste Verteidigung sein, so heißt es zumindest im Volksmund. Das scheint sich auch der neue Generalsekretär der CDU Laurenz Meyer zu eigen gemacht zu haben, indem er von innerparteilichen Krisen mit geschmacklosen visuellen Verunglimpfungen gegen den Kanzler und seine Regierung ablenken will. Hält etwa die CDU die deutschen Bundesbürger mittlerweile für so unsensibel, dass sie sicher ist, mit einem Verbrecher-Fahndungsfoto des Bundeskanzlers als Rentenbetrüger potentielle Wählerstimmen in den Bundesländern fangen zu können? Haben sich die Macher mit diesem „Verbrecher“-Plakat etwa vom Pop-Art-Künstler Andy Warhol inspirieren lassen, der jedoch gezielt den Zeitungs-Rasterpunkt als gestalterisches Mittel für seine Seriegrafien „Most Wanted“ eingesetzt hat?

Andy Warhol, „Most Wanted“

Nur gut, dass in vielen Teilen der Bevölkerung, auch in den Reihen der CDU, diese Entgleisung sehr schnell erkannt wurde. Durch den Sturm der Entrüstung musste schließlich diese primitive Provokation und Verunglimpfung eingestampft werden.

Klar, Generalsekretäre sind die treibende Kraft der Partei. Sie haben schließlich dafür zu sorgen, dass ihre Fraktion in der Öffentlichkeit im positiven Rampenlicht steht. Da muss natürlich stets die Darstellungsweise hinterfragt werden, die in unserer Mediengesellschaft mittlerweile eine zentrale Macht übernimmt. Den Stil hat der „christlich“-demokratische Parteigeneral Meyer aus dem Blick verloren, denn die CDU ist doch die Partei, die immer wieder auf den Erhalt von Moral und Ethik pocht („Leit-Kultur“ lässt grüßen!).

„Angriff ist die beste Verteidigung!“

Ich werde das Gefühl der Ausweglosigkeit, des Bankrotts dieser Partei nicht los. Statt ihre Aufgaben als Opposition im Bundestag zu erledigen, eigene Konzepte zu entwickeln, konstruktive Alternativen der Regierung anzubieten, wird ständig mit unsachlichem und emotionalem Niveau auf politischen Nebensächlichkeiten herumgetrampelt. Da wird der Rücktritt der Grünen-Minister Joschka Fischer und Jürgen Trittin gefordert, weil sie sich nicht während der 68er Jahre, der Zeit der Studentenbewegung, im Sinne des RCDS (Ring Christlich Demokratischer Studenten) politisch angepasst haben, sondern eher den Ideen des SDS-Funktionärs Rudi Dutschke und seinem Pendant in Frankreich, dem heutigen Europa-Abgeordneter Cohn-Bendit, gefolgt sind.

Nur: Durch diese Zeit der Revolte gegen das „Establishment“ konnte schließlich eine Jugend reifen, die heute mit mehr demokratischen Privilegien in Schule und Gesellschaft versehen ist. Darüber hinaus bildete sich schließlich auch ein ökologisches Bewusstsein, das zur Gründung der Partei der „Grünen“ führte.

Eines wird in dieser Woche ganz deutlich: Mit sachlogischen Argumenten scheint die Opposition im Moment hinsichtlich des Rentenproblems die Rot-Grüne-Koaltionsregierung nicht überzeugen zu können.
Wurde etwa bei der CDU wieder eine falsche Parteispitze ausgewählt? Wann verstehen endlich jene Unions-Funktionäre, dass nach der Ära von Ex-Kanzler Helmut Kohl längst ein Generationswechsel eingeläutet ist? Alte Kohl-Anhänger und -Ableger haben bei der Jugend keine Zukunft mehr, denn nur ein neuer, überzeugender, sachpolitischer Stil hat eine Chance eine Wahl zu gewinnen.