Das Kreuz mit dem Kreuz

von unserem Redakteur Philipp Dittmar (07.05.2010)

Mit Aygül Özkan wurde am 27.04.2010 die erste türkisch-stämmige Ministerin vereidigt. Sie bekleidet nun die Stelle der Sozialministerin in Niedersachsen, doch bevor sie überhaupt im Amt war, hat sie sich schon fast wieder hinaus katapultiert: Ihre Äußerungen gegen das Kruzifix in staatlichen Schulen versetzten viele Parteifreunde in Entsetzen.

 

 Die erste türkische Ministerin Deutschlands: Aygül Özkan sorgte für

mächtig Wind in ihrer Partei (spiegel.de)

 

Kaum ein Politiker hat es wohl bisher geschafft, so für Furore zu sorgen, wie Frau Özkan es nun „lehrbuchreif“ vormachte. Ihre ablehnende Haltung gegenüber Kruzifixen in deutschen Klassenräumen, die sie unglücklicherweise kurz vor ihrer Vereidigung in einem Interview veröffentlichte, war wohl mehr als ungünstig, und gerade als Mitglied in der Christlich Demokratischen Union äußerst unpassend. Die 38-jährige macht aber auch nicht vor anderen religiösen Zeichen Halt: Sie ist der Meinung, dass die Schule ein neutraler Ort sein müsse, und dass daher auch Kopftücher für muslimische Lehrerinnen keinen Platz im Klassenraum finden sollten. 

 

 
Darf dies in einem Klassenraum hängen?  

Mit ihren Ansichten bewegt sie sich aber weder auf extremistischen Bahnen, noch ist sie gar verfassungswidrig. Sie nimmt das Grundgesetz sogar sehr ernst, und bezieht sich auf die Freiheiten der Religionen und die Neutralität der Schule, die beide fest im Grundgesetz verankert sind. Sie will lediglich die Verfassung beachten, und somit sind diese Äußerungen mehr als fundiert.

 

Nichtsdestotrotz war Aygül Özkans Interview sehr gesellschaftskritisch und rief sofort Parteifreunde zur Schadensbegrenzung auf den Plan, allen voran Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff, der Özkan im Zuge einer Umstrukturierung erst in das Kabinett berufen hatte. Er sagte, man begrüße in Niedersachsen christliche Symbole im Sinne einer toleranten, christlich geprägten Erziehung. 

Nachdem es schon in Bayern einen jahrelangen Rechtsstreit um die Kruzifixe gab, goss die CDU-Politikerin wohl noch mehr Benzin ins Feuer eines Konfliktes, der eigentlich gar nicht zustande kommen sollte. Das Grundgesetz besagt nämlich: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet“ (Artikel 4, Absatz 2). Das bedeutet, jeder darf überall seinen Glauben frei ausleben. Außerdem soll die Schule ein neutraler Ort sein (z.B. §3, Absatz 1 und 3 Hessische Verfassung), und es sollte zwischen Christentum und Islam nicht differenziert werden. Entweder alle dürfen ihre religiösen Symbole im Klassenraum aufhängen oder gar keiner. Frau Özkan plädiert hierbei lediglich auf letzteres.

 

Obwohl die Kritik an Aygül Özkans Äußerungen parteipolitisch wohl berechtigt sein mag, sind manche Kritiker ein wenig über das Ziel hinaus geschossen: Klaus Wowereit (Bürgermeister von Berlin, SPD) schlug Özkan einen Wechsel zu den Sozialdemokraten vor, und beschrieb die CDU als „noch nicht reif“ für eine türkischstämmige Ministerin. Diese Aussagen sind aber nichts im Vergleich zu dem, was Frau Özkan zur Zeit in Ihrem Briefkasten findet: Mehrere Morddrohungen von Rechtsradikalen hat sie schon erhalten, woraufhin sie Polizeischutz bekam.