Von unserem Redakteur Michael Brehme (17.06.2007)
Aufklärungstornados in der Luft, 17.800 Polizisten und Soldaten am Boden. Eine riesige Befestigungsanlage, ein zwölf Kilometer langer und schwer bewachter Hightech-Zaun. Vom 6. bis 8. Juli herrschte Ausnahmezustand beim G8-Gipfel in Heiligendamm.
Die Vertreter der G-8-Staaten beim Erinnerungsfoto. |
Und plötzlich, am Morgen des 9. Juli, war alles wieder vorbei. Als wäre nichts gewesen. Keine Jagdszenen mehr, keine Gummiknüppel, keine Wasserwerfer. Nach anderthalb Wochen „Kriegszustand“, nach Demonstrationen und Gegendemonstrationen, nach brutalen Ausschreitungen mit tausenden Verletzten, war die Ruhe zurückgekehrt ins Seeheilbad Heiligendamm, gelegen an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns.
Unter dem Motto „Wachstum und Verantwortung“ hatten sich die größten acht Industrieländer der Welt turnusgemäß getroffen, um zu beratschlagen. Über den Klimaschutz, über Hilfe für Afrika und die Aids-Probleme, um die Folgen der Globalisierung. In Teilen der Weltbevölkerung stieß allerdings schon allein die Ankündigung des Zusammenkommens auf starken Widerstand. Nichts Neues angesichts jener Geschehnisse, die sich schon bei den vorherigen G8-Treffen ereignet hatten. Unrühmlicher Höhepunkt: 2001 im italienischen Genau. Auch dort eskalierten die Demonstrationen, doch neben zahlreichen Verletzten starb dort sogar ein Mensch. Es klingt paradox und ist doch traurige Wahrheit, dass Ausschreitungen fast schon zum G-8-Gipfel gehören wie das Zusammenkommen der Politiker an sich. So auch 2007.
Gewalttätige Demo |
Bereits Wochen zuvor liefen seitens der Polizei strenge Sicherheitsvorkehrungen an, während die Globalisierungskritiker zahlreiche Protestveranstaltungen planten und durchzogen. Schon Ende Mai war der extra installierte, zwölfeinhalb Millionen Euro teure Hochsicherheitszaun um den Tagungsort herum aufgebaut worden. Seitdem durften selbst die Einwohner den Ort nur mit besonderem Ausweis betreten und wurden streng kontrolliert.
Es überrascht nicht, dass der eigentliche Gipfel bei all diesen Nebenerscheinungen in den Hintergrund rückte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bewertete den Ausgang letztendlich als „erfolgreich“. Von einem entscheidenden Durchbruch in den entscheidenden Fragen konnte allerdings objektiv betrachtet keine Rede sein. In Sachen Klimaschutz verständigte sich die G8 darauf, eine Halbierung des Ausstoßes von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 „ernsthaft in Betracht zu ziehen“. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Konkrete Zielsetzungen hören sich anders an.
Außerdem wurde ein 60-Milliarden-Dollar-Programm für die armen Länder dieser Welt bewilligt. Zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten wie Aids, Malaria und Tuberkulose wird der Großteil nach Afrika fließen, aber auch Osteuropa soll etwas zugute kommen. In der Abschlusserklärung wurde ein verbindlicher Zeitplan allerdings ebenso vermieden wie das Festschreiben konkreter Finanzzusagen für einzelne Staaten. Geld wurde einmal mehr versprochen, das Klären von Details tunlichst vermieden.
Gefangenlager während |
Im Fokus der Berichterstattung der gut eintausend akkreditierten Journalisten stand aber das unwürdige Drumherum. Wilde Kampszenen vor allem bei einer Großdemo im nahe gelegenen Rostock mit rund 1.000 mehr oder weniger schwer Verletzten, sowohl auf Seiten der Polizisten als auch bei den Demonstranten. Außerdem scharf kritisiert: die extra für den Gipfel eingerichteten Gefangenensammelstellen, in denen inhaftierte G-8-Demonstranten über Stunden massenhaft auf käfigähnlichem Raum festgehalten wurden. Eine unzumutbare Einschränkung grundlegender Bürgerrechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit für die einen, ein unabdingbare Sicherheitsvorkehrung für die anderen.Nun ist alles wieder ruhig in Heiligendamm. Auch der Zaun ist inzwischen abgebaut worden. Nach Angaben der Herstellerfirma gebe es mehrere Interessenten für den Weiterverkauf. Mit dreien sei man in intensiven Verhandlungen, hieß es. Die Chancen, dass zumindest der nächste Gipfel weniger gewalttätig abläuft als die letzten, stehen gut. Denn die G-8-Staaten scheinen aus den zahlreichen negativen Vorkommnissen gelernt zu haben. Für das Jahr 2009 hat Gastgeber Italien schon einmal eine 50 Quadratkilometer kleine Insel Sardiniens als Treffpunkt ausfindig gemacht. Dann sicherlich auch ganz ohne Zaun und vor allem preiswerter als die diesmal ausgegebenen 100 Millionen Euro.