Eine gereizte Atmosphäre voller innerer Wut

Von Hendrik Grebe, übermittelt per E-Mail an unseren Redakteur Jonas Leppin (14.09.2001 22:07)

Direkt aus New York berichtet der siebzehnjährige Hendrik Grebe, der die letzten Tage vor Ort hautnah miterlebte, exklusiv für UMLAUF Online.

Ein einzelner Mann flüchtet vor der Trümmewolke des zusammenstürzenden World Trade Centers

Ich berichte über diese nationale, aber im Laufe der Zeit schon internationale Katastrophe aus New York, so gut es geht.
Ich heisse Hendrik Grebe, bin am 20.09.1983 in Wien geboren. Ich gehe zur „United Nation International School of New York“. Mein Vater Udo Grebe wurde im Sommer 1997 nach New York versetzt, vorher lebten wir 13 Jahre in Dänemark, Kopenhagen.
Es war am Dienstag, den 11.09.2001, als dieses Unglück geschah. Ich saß mit meiner Klasse in der ersten Stunde, als plötzlich ein Mädchen hereinkam und heulend vom Crash berichtete.
Erst wurde uns mitgeteilt, dass es ein Unglück war, aber als nachher das zweite Flugzeug, eine Boeing 767, in den Tower 2 stiess, war es klar, dass die USA unter einer terroristischen Attacke, angeblich aus dem fernen Osten, stand.
Meine Lehrerin ist, als sie es hörte, zusammengebrochen, weil ihr Mann sowie viele Eltern, Söhne, Töchter und Bekannte aus unserer Schule dort zu Schaden oder sogar umgekommen sind. Anschließend wurde unsere Schule – nach einer Bombendrohung – umgehend evakuiert. Draußen waren alle Strassen gesperrt, es durften nur Militär-, Polizei- und Feuerwehrfahrzeuge auf den Straßen sein.
Zuerst konnte ich es nicht fassen, aber jetzt zwei Tage später geht mir diese ganze Sache ziemlich an die Nieren. Denn es sind um die 15.000 Tote aufgefunden worden, und sie rechnen mit noch mehr. Die ganze Atmosphäre war sehr gereizt und voller innerer Wut. Ich konnte erst 11 Stunden nach dem Geschehen die Stadt verlassen, weil vorher alle Brücken, Tunnel und Züge gesperrt waren.

Die Überreste des World Trade Center

Es wird gesagt, dass Amerika wahrscheinlich in den Krieg ziehen wird, aber vorher muss unser Präsident Bush die anderen Allierten, wozu auch Deutschland gehört, um ihre Hilfe bitten, denn es wurde in einer Pressekonferenz bestätigt, dass die USA jede Hilfe von anderen Ländern brauchen kann, um gegen den Terrorismuss anzukämpfen.
So wie es aussieht, werden früher oder später Freunde von mir und vielleicht ich selbst einberufen werden, um irgendwie auch den Leuten und der Nation in Not zu helfen. Viele Schüler, wie auch Ich, sind stark von diesem Geschehen betroffen, denn mein Geschichtslehrer wurde wieder in den Dienst der „United States Marines“ einberufen, wo er schon vor seiner Zeit als Lehrer war. Er absolvierte zweimal drei Monate im Vietnam-Krieg. Wir, die Schüler von ihm, stehen mitten im Abistress ohne einen Aushilfslehrer. Dies setzt unser internationales Abi aufs Spiel.
Was mich auch sehr geschockt hat, ist, dass meine Eltern für den 20. September einen Tisch im Restaurant des World Trade Center im 110 Stockwerk, zu meinem 18 Geburtstag betsellt haben. Aber das Ausschlaggebende ist, dass meine Mutter am Tage zuvor mit den Leuten vom Restaurant gesprochen hat und nun sind sie tot. Leute wurden aus den Fenstern geschupst, wie kleine Fliegen.
Mit der Zeit wird mir erst richtig bewusst, was hier für eine Übeltat begangen worden ist. Innerlich fühle ich mich zur Zeit ausgelaugt und auch ein wenig wütend auf die Terroristen. Aber das Leben muss weiter gehen.
Meine letzte Meinung zu diesem Thema ist, dass ich annehme, dass die Terroristen sich als „der kleinen David sehen, der dem grossen Goliath etwas antun kann.“ Deshalb versucht die US Nation möglichst schnell die Kommunikation zwischen den Bürgern wieder herzustellen, um so wenig wie möglich betroffen zu sein. Klar, man darf und wird noch lange trauern.
So das war’s, ich bedanke mich. Es hat mir auch sehr geholfen alles von der Seele zu bekommen