Gefährliche Gastfreundschaft

Von unserem Redakteur Jan Schmidt (22.08.2002 21:28)

Es gibt kein Medium, das so zahlreiche Wege der Kommunikation bietet wie das Internet. SMS, Email, Chat, Foren, Instant Messenger, IRC-Chats und nicht zuletzt Gästebücher laden zum Meinungsaustausch ein. Nicht allen Nutzern und schon gar nicht allen Anbietern solcher Dienste ist bekannt, dass auch die freie Meinungsäußerung im Internet nicht ganz so frei ist, wie sie den Anschein macht. Auch im Internet gelten Gesetze.

Manche Kommunikation wird durch den Informationsträger behindert …

Nahezu jeder Seite im Internet – sei es nun eine kommerzielle oder eine private – verfügt über eine Gästebuch und mindestens ebenso viele auch über ein öffentliches Forum. Der Meinungsaustausch im Internet erfreut sich großer Beliebtheit. Das beweist beispielsweise das Chat-Programm ICQ (gesprochen: I seek you) mit mittlerweile deutlich über 120 Millionen registrierten Nutzern.
Für viele Betreiber einer privaten Webseite sind Foren oder Gästebücher eine gute Gelegenheit, um Rückmeldung zu erhalten, wie die Seite bei den Besuchern ankommt. Auch sind Foren und Gästebücher häufig der Grund für den regelmäßigen Besuch der Seite. Auch wenn sich das Internet als „Zone ohne Gesetz“ präsentiert, so ist das bezüglich Foren und Gästebücher ein Trugschluss.

… was immer jüngere User geschickt umgehen

Ein Beispiel: Stefan hat seit einigen Wochen seine eigene Homepage im Internet, und natürlich hat er auch ein Gästebuch, das von seinen Besuchern als Diskussionsforum benutzt wird. Einer seiner Schulfreunde schreibt ins Forum über eine Computerfirma, bei der er seinen neuen Computer gekauft hat, dass diese Firma gestohlene Teile einbauen und zu hohe Rechnungen ausstellen würde. Etwa drei Wochen später sieht Stefan mal wieder in seinem Gästebuch vorbei und löscht den Beitrag.

Solche Gästebucheintragungen werden von Redaktionen mit Sympathie bedacht

Der Schaden ist aber schon längst angerichtet. Die Computerfirma hat auch diesen Eintrag gelesen und Stefan, also den Betreiber der Homepage, verklagt. Auch das Landesgericht Trier gibt der Computerfirma Recht. Laut einem Urteil des Landesgerichtes vom 16. Mai 2001 ist Stefan verpflichtet, sein Gästebuch regelmäßig auf rechtswidrige Inhalte zu überprüfen. Handelt es sich um eine private Webseite mit durchschnittlichem Besucheraufkommen, dann sollte das Forum mindestens einmal wöchentlich auf solche Inhalte geprüft werden. Geschieht dies nicht, so hat der Betreiber der Webseite seine Zustimmung zu dem Beitrag gegeben, was in unserem Beispiel bedeutet, dass Stefan der gleichen Meinung ist wie sein Schulfreund. Damit hat auch er sich strafbar gemacht. Im Übrigen hätte ihm auch ein allgemeiner Hinweis, dass er sich als Betreiber der Webseite von den Inhalten im Gästebuch distanzieren würde, nichts genützt

Das zentrale Symbol dieses Jahrhunderts

Ist das Internet also doch kein komplett „Rechtsfreier Raum“, wie immer behauptet wird? Das kann verneint werden. Allerdings halten sich die gesetzlichen Einschränkungen in Grenzen. Und selbst wenn ein Gesetzesverstoß vorliegt, ist es fast unmöglich, den Urheber dieses Verstoßes auszumachen. Wir sollten also gespannt darauf sein, was die Zukunft der Rechtssprechung für die Nutzer des Internets noch alles parat hält.

Landgericht Trier, 16.5. 2001, Aktenzeichen 4 O 106/00, Oberlandesgerichts Trier, 16. 5. 2002, Aktenzeichen 6 U 985/01, Landgericht Düsseldorf 2a O 312/01
c’t 17/02, Seite 174