Ein Kommentar von Tammo Wündisch, Klasse 11 (Kommentar)
Im Rahmen einer Veranstaltung zur Gewaltprävention am 29. März 2001 im Schauspielhaus Kassel, zu der neben Schulklassen vieler Kasseler Schulen auch der Oberbürgermeister der Stadt Kassel Lewandowski, der Bürgermeister Groß sowie der Polizeipräsident anwesend waren, führten die Schauspieler des Staatstheaters das von Ken Kesey verfasste Stück „Einer flog über´s Kuckucksnest“ auf.
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Dieses Stück handelt von der Brutalität und Rücksichtslosigkeit, mit der die Patienten einer psychiatrischen Anstalt bis in die achtziger Jahre hinein behandelt wurden.
Der Alltag einer Staatlichen Nervenheilanstalt wird durch einen Neuzugang empfindlich gestört: der Sträfling McMurphy täuscht eine Psychose vor, um die letzten Wochen seiner Haft statt im Gefangenenlager in einer Klinik absitzen zu können. Mit seinem unbändigen Lebenswillen und seiner unbezähmbaren Spielernatur bringt er das bis ins kleinste Detail ausgeklügelte und hervorragend funktionierende System durcheinander. Er feiert damit bei seinen Mitpatienten stürmische Erfolge, aber das Spiel erweist sich bald als ein Pokern um Leben und Tod.
Das Stück beschreibt den Versuch, sich gegen den Klinikalltag, gegen die herrschenden Prinzipien und Methoden zu wehren und stellt modellhaft den Kampf gegen ein repressives Gesellschaftssystem, gegen Bevormundung und Repressalien dar.
McMurphy’s Kampf um seine Art des Lebens, sein Kampf um die anderen, deren Kampf, zu sich selbst zu finden und den bequemen Weg zu verlassen, sind das scheinbar Einfache, das schwer zu machen ist.
Bezogen auf die heutige Situation heißt das, dass man sich hinter dem Gehorsam gegenüber einer Obrigkeit leicht verstecken kann, aber nicht vor sich selbst. Die Kraft und der Mut, sich selbst behaupten zu wollen und zu können, werden nicht geringer, im Gegenteil, sie setzen als erste und vielleicht größte Leistung Selbsterkenntnis voraus. Und daraus folgt, dass in einer Zeit, da uns die Medien nicht täglich, sondern stündlich mit Klischees und Idolen überfrachten, die Schönheit, Jugend und Wohlstand anpreisen, es keinen Platz für Armut, Krankheit und existenzielle Probleme gibt.
Gleichzeitig zeigt diese Initiative der Stadt Kassel, die Theaterveranstaltung war von der Stadt Kassel gesponsert, dass man jugendlichen Schülern in dieser Art und Weise das Gewaltproblem trotz der gelungenen Aufführung nicht näher bringen kann. Das, was das Theaterstück anklagt, nämlich unbegründete Befehle ausführen zu müssen, ist den Jugendlichen offensichtlich zugemutet worden: vormittags Schule, ab 12 Uhr ins Schauspielhaus zu einer Theateraufführung, die mit der Lebenswelt der Jugendlichen wenig gemeinsam hatte, kurze Pause nach eineinhalb Stunden, Ende der Vorstellung um 15 Uhr, kurze Diskussion, Rückfahrt mit dem Bus. Da ein großer Teil der Jugendlichen offensichtlich auch von außerhalb „angekarrt“ worden sind, war der Tag dann wohl gelaufen. Wie äußerte sich der Intendant Nix in seiner Begrüßung schon zu Beginn der Veranstaltung: „Ihr seid wohl nicht freiwillig hier!“
Ein Teilziel der Veranstaltung wurde in der engagierten Rede des Oberbürgermeister gleich mitgeliefert: Gewaltprävention hilft der Stadt Kassel Geld sparen. Bei dieser „gutgemeinten“ Instrumentalisierung bleibt ein schaler Geschmack zurück, denn eine vorbeugende Haltung gegen Gewalt ist nur möglich mit aktiven, engagierten Jugendlichen und nicht mit Befehlempfängern.
Vorschlag: An der GhK wird z.Zt. ein knallharter türkisch-deutscher Jugendfilm gedreht. Freier Eintritt für Jugendliche zusammen mit ihren Lehrern, in der Pause kostenlos einen Döner mit Cola und Popcorn und danach eine kurze Diskussion vielleicht mit dem Regisseur. Einen Versuch wäre es wert und der Erfolg bestimmt höher einzuordnen.
Sagen Sie nicht
„Gewalt geht mich nichts an“
Gewalt findet täglich statt, manchmal ganz in Ihrer Nähe: Körperverletzungen, Sachbeschädigungen oder raub. Auch Anmache, Rempeleien, Belästigungen.
Gewalt entwickelt sich immer dort, wo keiner hinschaut. Wer wegschaut, gibt der Gewalt eine Chance ! Wer hinschaut, reduziert die Gewaltbereitschaft.
Deshalb hat der Präventionsrat der Stadt Kassel die Initiative gegen das Wegschauen ins Leben gerufen. Gewalt sehen und helfen. Wenn wir den Gewalttätern auf die Finger schauen und Menschen in Not Hilfe leisten, tragen wir dazu bei, unsere Stadt lebenswert zu erhalten.
Sagen Sie nicht:
..ich habe nichts gesehen
Viel zu viele Menschen in unserer Stadt schauen bei Gewalt einfach weg. Eilig rennen sie am Geschehen vorbei oder schauen teilnahmslos zu. Sagen sich: „Mir kann das nicht passieren!“ oder „Was geht mich das an.“
Auch Sie können jederzeit mit einer Gewalt- oder Notsituation konfrontiert werden.
Wer in dieser Situation hinschaut, hat schon den ersten Schritt zur Hilfe getan. Lassen Sie den Täter nicht aus den Augen. Beobachten Sie die Situation und merken Sie sich soviele Einzelheiten wie möglich. Machen Sie andere auf die Situation aufmerksam. Helfen Sie mit, „Öffentlichkeit“ zu erzeugen. So haben Gewalthandlungen keine Chance.
Sagen Sie:
„Ich kann helfen“
Sie sollen nicht die Heldin oder den Helden spielen – die gibt’s im Kino oder Fernsehen.
Um Hilfe zu leisten, brauchen Sie nur andere auf die Situation aufmerksam zu machen. Wenn Sie schreien, werden andere es auch tun. Wenn Sie 110 anrufen, wird schnell professionelle Hilfe vor Ort sein.
Überwinden Sie eigene Ängste. Und zeigen Sie Verantwortung und Solidarität mit dem Opfer. Bieten Sie Ihre Unterstützung an. Damit werden Übergriffe verhindert.
Versuchen Sie beim nächsten Mal aktiv zu sein und holen Sie Hilfe. Sie werden das gute Gefühl erleben, Zivilcourage gezeigt zu haben.
Ich tu was
… gegen Gewalt
Ich nehme Blickkontakt mit dem Opfer auf.
Ich rufe dem Opfer zu: „Kann ich helfen?“ oder „Wir sind da und helfen!“
Ich mache andere Menschen in der Umgebung laut auf die Notsituation aufmerksam.
Ich spreche Umstehende direkt an und bitte um Mithilfe: „Sie in der roten Jacke – bitte holen Sie die Polizei!“
Ich rufe die Polizei unter 110 an. Die Nummer ist gebührenfrei und jederzeit ist ein Ansprechpartner erreichbar.
In der Bahn ziehe ich bei Gefahr die Notbremse.
Ich stelle mich als Zeuge zur Verfügung. So werden Täter schneller ermittelt und weitere Straftaten verhindert.
Ich handele, bevor sich eine Situation zuspitzt.
Ich lasse mich nicht provozieren und ich provoziere auch nicht andere. Gewalttätige Situationen entstehen oft, weil ein Wort das andere gibt.
Ich mische mich keineswegs mit einer Waffe ein, da Waffen in aller Regel zur Eskalation beitragen.
Hilfe …
erhalten Sie unter
Notruf der Polizei: 110
… weitere Informationen und Hilfe:
Polizeiladen, Wilhelmsstr. 5, Frau Schlieffer, Telefon 910 10 40;Herr Schaal, Telefon 910 10 30
Geschäftsstelle des Präventionsrates Herr Gille, Telefon 787 7000
Eine Initiative des Präventionsrates der Stadt Kassel unter Mitwirkung von HNA, IHK, KVG, Kasseler Sparkasse, Städtische Werke AG, Handwerkskammer, die Polizei und Staatstheater Kassel.