Grüne Welle?

von unserem Redakteur Philipp Dittmar (13.11.2010)

Wäre an diesem Sonntag Bundestagswahl, bekäme Bündnis 90/Die Grünen ganze 23% der Stimmen (Quelle: Forsa) – genauso viele wie der Koalitionspartner SPD. Doch wie haben die ehemaligen „Vollzeitaktivisten und Umweltschützer“ es zu so einer Verbesserung im Vergleich zur letzten Bundestagswahl gebracht?

 

 

„Die Grünen? Das sind doch nur „Ökos“, die einem das Blaue vom Himmel versprechen“. So oder so ähnlich dachten noch viele vor der letzten Wahl. Die kleine Partei aus Berlin wurde zwar wahrgenommen, doch sie galt nur als Anhängsel und Werkzeug der SPD, die schon unter Bundeskanzler Schröder mit den Grünen koalierte. Doch mittlerweile können sich immer mehr Leute vorstellen von der Partei regiert zu werden, die aber auch selber vor den Gefahren dieser Explosion der Umfragewerte warnt. Es gab nämlich schon mal eine ähnliche Situation: 2002 hatte sich Guido Westerwelle von der FDP beflügelt von Umfragewerten um 18% als Kanzlerkandidat aufstellen lassen. Am Ende erreichte die FDP schlappe 7%.

 

Deswegen sagt auch Fraktionsvize Fritz Kuhn: „Das Wichtigste ist, dass wir jetzt bescheiden bleiben und nicht den Guido machen!“ Die Grünen nehmen langsam aber sicher den Platz der SPD als stärkste Oppositionspartei ein, da sich die Partei um Sigmar Gabriel immer mehr ins Abseits schießt: Sarrazin-Gericht, Atomausstiegsdebatte und die schwammige Position im Fall Stuttgart 21 sind hier nur einige Stichworte.

 

Es gibt allerdings auch heftigen Gegenwind für die Grünen. Beispielweise Oscar Lafontaine bemängelt, die Partei habe ihre Grundideale wie Pazifismus und soziale Gerechtigkeit fallen lassen und beschränke sich nur noch auf die Umweltproblematik. Sie seien jetzt schon zu einer Art FDP geworden, die mit jedem regieren würde (siehe Beispiel oben). Auch Finanzexperten sehen die Grünen kritisch. Ihr Programm zur Wahl 2009 hätte rund 100 Milliarden Euro gekostet und dabei wurde nicht einmal – ganz oppositionstypisch – ein Finanzierungskonzept entwickelt.

 

 
 Renate Künast und Jürgen Trittin  

Auch Gottlieb Steitz, Schüler aus unserer E-Phase, sieht die Grünen in der Regierung als keine gute Alternative: „Ich bin skeptisch den Grünen gegenüber, weil ich ihnen nicht zutraue, ein Land zu regieren. Sie haben sich die wählerwirksamsten Themen ausgesucht, mit denen sie Wahlkampf machen, aber die grundsätzlichen Probleme sehe ich bei ihnen in den falschen Händen. Außerdem sind die Grünen eine sehr gute Oppositionspartei und sollten dies auch bleiben.“

 

Allen voran sind zwei Personen am Umfragehoch der Grünen beteiligt: zum einen Renate Künast und zum anderen Jürgen Trittin, die beiden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag. Sie repräsentieren die Partei und tragen Ideen und Programme nach außen. Deswegen ist auch die Kandidatur von Renate Künast als Bürgermeisterin von Berlin symptomatisch für das Selbstbewusstsein der Grünen. Künast als Bürgermeisterin der Hauptstadt, Trittin als Bundeskanzler? Bis das Wirklichkeit wird, müssen wir uns wohl noch etwas gedulden, doch eins ist klar: Wenn die Grünen so weiter machen, müssen sich alle anderen warm anziehen, besonders Schwarz-Gelb.