„Zum Wohl!“

Am 17. und 18. Juni 2014 hieß es für den Darstellendes Spiel-Kurs der Q2 unter der Leitung von Frau Binnenmarsch „Vorhang auf“ und „Licht an“. „Zum Wohl!“ lautet der äußerst heiter anmutende Titel des Theaterstücks, welches dem Zuschauer die zwei Gesichter einer Familie näherbringt. Die Situation: Die Familienmitglieder kommen zur 50. Geburtstagsfeier des Familienvaters Wilhelm Ebeling zusammen. Das alles wirkt zunächst heiter und fröhlich, doch der Schein trügt. Ein dunkles Geheimnis, das lange Zeit verdrängt wurde, kommt nun endlich ans Tageslicht.

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Pünktlich um 18:00 Uhr erklingt eine „Fahrstuhl-Musik“, abgespielt von DJ Crystal Max (Max Plünnecke). Die Zuschauer werden gleichzeitig mit den Schauspielern eingelassen. Zwei Kellner, Jean (Timo Schäfer) und Lara (Diana Al-Dalqamouni), prüfen am Eingang die Karten und zwei andere Kellner, Mandy (Jasmina Sinanovic) und Giovanni (Okan Aytemur) weisen die Gäste zu ihren Plätzeb. Sofort verschwimmt die Grenze zwischen Schauspieler und Zuschauer, und man fühlt sich schnell wie ein Teil der Familie. Als die Familie fast vollständig ist und die Zuschauer an der Festtafel Platz nehmen, werden die Besucher aufgefordert, sich hinter ihren Stühlen zu verstecken. Der Familienvater Wilhelm (Arthur Morozov) betritt den Saal, die Menge springt auf und gratuliert ihm zum Geburtstag. Als alle wieder auf ihrem Platz sitzen, begrüßt Mutter Luise (Alica Klein) das Publikum. Die Schauspieler stellen sich vor. Auch Bürgermeister Bernd Hilgen (gespielt von Norman Richert) ist vertreten.

335x200.jpgDie Atmosphäre ist zunächst heiter: Es gibt eine Polonaise mit Musik, Wilhelms Enkel Kevin (Till Welch) und Justin (Nils Gericke) liefern eine kleine Jonglier-Show ab, Andreas‘ Frau Claudia (Majlinda Zenku) kümmert sich um ihre Söhne, Opa Günther (Leonid Goschko) erzählt  von guten alten Zeiten. Damit das Publikum in die Handlung hineingezogen wird, hat Onkel Manni (Lukas Hupe) Live-Kamera dabei, die  alles direkt auf eine Leinwand überträgt. Irgendwann fühlt sich einer der Söhne, Paul (Moritz Brandt), immer unwohler. Er nimmt sich vor, dieses Mal auf der Feier mit der Wahrheit herauszurücken.

Die Lichter werden dunkler, die Scheinwerfer sind jetzt nur noch auf die Bühne gerichtet. Die verstorbene Tochter Amalia erscheint, verkörpert von fünf Schauspielerinnen in weißen Kleider. Eine von ihnen (Nathalie Hochapfel) spielt ein melancholisches Lied am Klavier, die vier anderen (Leonie Heinemann, Yaren Burgucu, Emel Altinok, Edita Kurtisoski) singen dazu. Danach treffen sich die fünf Amalias in der Mitte der Aula und tanzen. Dabei sehen sie sehr bedrückt aus. Licht an, zurück zu Paul: Er beschuldigt seinen Vater, verantwortlich für Amalias Tod zu sein. Die Festtafel erstarrt und Amalia erzählt von Missbrauchsfällen in verschiedenen Familien.

Andreas kann das nicht glauben und ist überzeugt, dass sein Vater nichts damit zu tun hat. Es kommt zur Eskalation zwischen Paul und Andreas.  Die KSV-Mitglieder Freddy (Timo Illert) und Ben (Haris Dzomba), Sophie (Iman Cherfaoui), Claudia und Onkel Manni greifen ein und halten beide voneinander ab. Noch länger hält es Paul nicht mehr aus und spricht die ganze Wahrheit aus. Amalia entschied sich für den Freitod, da sie vom eigenen Vater sexuell missbraucht wurd. Die Familie reagierte darauf mit Schweigen, Beschwichtigen und Leugnen. 

Für Vater Wilhelm wird es nun zu viel. Er verschwindet. Genauso wie Mutter Luise. Nach einer kurzen Pause kommen sie wieder heraus. Wilhelm sieht alles ein und erhofft sich mit seiner Entschuldigung Verständnis und Verzeihung. Noch nicht einmal Luise oder Andreas stehen jetzt aber noch auf seiner Seite. Luise weint, während Andreas vor Wut und Enttäuschung auf seinen Vater eintritt. 

Zu dem Stück inspirieren ließ sich der DS-Kurs durch aktuelle Presseberichte über Missbrauchsfälle aus der Region sowie biografische Ideen zu Figuren und Familientraditionen, die in das Stück integriert wurden. Durch ihre Recherchen erfuhren die Schüler, dass die meisten Missbrauchsfälle innerhalb der Familie angezeigt werden, gerade dort jedoch auch eine hohe Dunkelziffer herrscht.
Der DS-Kurs unter der Leitung einer mit der Umsetzung zufriedenen Frau Binnenmarsch arbeitete mit Hilfe verschiedener Schauspieltheorien intensiv die Figuren aus. Immer wieder sorgt bei der Inszenierung die „live“-Kamera, die das Fest filmt, für intensive Nahaufnahmen, die auf eine übergroße Leinwand projiziert werden. Um beim Publikum eine stärkere Sensibilität und Betroffenheit für das brisante Thema „Kindesmissbrauch“ auszulösen, wurden die Zuschauer zu Akteuren und somit Mitwissern gemacht. Bühnenbild und Lichtkonzept waren bei der Inszenierung extrem aufwändig, die komplette Aula wurde bespielt und von den Schülern der Technik-AG sehr gut ausgeleuchtet. Dafür wurde sogar noch zusätzliche Technik von anderen Schulen ausgeliehen.
Und am Ende des Theaterabends bleibt die Frage: Wie würde ich damit umgehen, wenn ein geliebter Mensch plötzlich Täter oder Opfer eines schlimmen Gewaltverbrechens wird?